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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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wollte dich nicht verlassen«, fiel ihm die Stimme ins Wort, »sie wollte deine Liebe.«
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    »Und hat sich lustvoll dem anderen hingegeben!«, trumpfte Roc trotzig auf.
    Das überlegene Schweigen des Schamanen ging in leises Lachen über: »Solch Recht stünde ihr gewisslich zu.«
    Arslan schien sich über ihn lustig zu machen. »Wenig Kenntnis und noch weniger Verständnis beweist du gegenüber Frauen, denen der Spagat gelingen muss, zum Schutze ihres Leibes die Beine breit zu machen und gleichzeitig eine Empfängnis zu vereiteln!«
    Das konnte oder wollte Roc nicht verstehen. »Wie kann sie es nur genießen, dass ihr Gewalt angetan wird und mir diese Schmach!«
    Hier ereilte Roc die zweite Ohrfeige von der Bärenpranke, die Krallen hinterließen eine blutige Spur auf seiner Wange. »Heischst du auch noch Mitleid für dich?!« Schon fegte der dritte Hieb in sein brennendes Fleisch. »Wie weit ist es mit dir gekommen?! Wie oft muss ich dich noch schlagen, damit du deine guten Sinne
    wiedererlangst? !«
    Roc flüchtete in die Bewusstlosigkeit, er ließ sich in Ohnmacht fallen.
    Als Roc wieder erwachte, stand Arslan statt des Bären über ihm und schaute auf ihn herab.
    »Steh auf!«
    Roc richtete sich auf, tastete über seine Wange, an seinen Fingern klebte Blut.
    »Was verlangt Ihr«, fragte er kleinlaut, »dass ich unternehmen soll?«
    »Du solltest es selber wissen.« Der Schamane gab sich väterlich. »Du musst die Quelle deiner Kraft, du musst Yeza zurückgewinnen!«
    »Wie soll ich das - allein?«
    Arslan trat zurück, die Enttäuschung stand ihm in das faltige Gesicht geschrieben. »Es gab eine Zeit, Roc, da wären dir solche Zweifel nicht gekommen«, sagte er traurig. »Die Macht war mit dir - «
    Die Figur des Schamanen verschwamm vor Rogs Augen, löste
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    sich auf. Als könne er das Verblassen des Bildes damit aufhalten, brüllte Roc gegen das Verschwinden des Meisters an.
    »Du kannst sie mir nicht nehmen!« Seine eigene Stimme echote in den Felsen. »Ich werde sie wieder erringen!«, schrie Roc ihm verzweifelt nach. »Mit der Kraft meines Schwertes!«
    Sein Ruf ging in die Leere. Arslan war fort und er, Roc, war auf sich gestellt.
    ES GAB ZWAR EINEN HAREM auf Mard' Hazab, aber die durch kunstvoll geschnitzte Holzgitter von der übrigen Burg abgetrennten Räume waren seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt worden. El-Kamil führte seine Gefangene durch die verschlissene Pracht. Der Gedanke, die von Motten zerfressenen Seidenkissen, Spinnweben überzogenen Baldachine und glanzlosen, verstaubten Messingtischchen könnten das Missfallen der erbeuteten Prinzessin erregen, kam ihm nicht. Auf dem Marmorboden der eingelassenen runden Wanne lag ein toter Skorpion. Yeza fühlte sich erleichtert, dass der finstere Emir den Rundgang schnell beendete und sie der stickigen Atmosphäre - ein abgestandener Moderduft, vermischt mit strengem Moschus und etwas Myrrhe - an die frische Luft entfliehen konnte. Wortlos, aber sichtbar stolz, stieg der Hausherr jetzt vor ihr die Wendeltreppe hoch, die wohl zum offenen Altan führen sollte. In der Tat hatte sich das flache Dach des Haremsflügels als der einzige Platz erwiesen, auf dem sich der Kelim aus Täbriz wenigstens zur Hälfte ausbreiten ließ. Die Freude dieses ungewöhnlichen Anblicks wollte er der Dame bereiten, auch mit dem lustvollen Gedanken, nach Sonnenuntergang in den lauen Lüften des Abends hier auf der so farbenfroh und phantasievoll gewirkten Unterlage ihrer ersten Begegnung die Prinzessin mit noch mancher Wiederholung des köstlichen Stechens zu beglücken. Doch als Yeza den Kelim erblickte, hielt sie störrisch in ihrem Schritt inne und ließ sich wie erschöpft auf die steinerne Ruhebank des Alkovens fallen, der sich über dem Ausstieg wölbte.
    »Weder meinen Fuß noch sonst einen Teil meines Körpers ge-
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    denke ich je wieder auf diesen verdammten Teppich zu setzen!«, verkündete sie dem erstaunten Herrn der Burg.
    »Ihr solltet ihn Euch vom Halse schaffen, bevor es zu spät ist!«
    »Er ist ein Meisterwerk!«, protestierte El-Kamil. »Einzigartig in seiner Schönheit und Größe!«
    Wenn er gehofft hatte, es handelte sich nur um eine kurzlebige Laune der Dame, sah er sich nochmals getäuscht.
    »Verraten wird Euch dieses Machwerk des Bösen, hinterrücks an Eure Feinde ausliefern!«
    Der Emir lachte. »Keiner weiß, dass Ihr hier bei mir weilt, Liebste!«
    Yeza blitzte ihn zornig aus ihren grünen Augen an. »Der Teppich schert sich darum auch wenig,

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