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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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dieses unförmigen Kelim! Wenn es den Mongolen nur um diesen Fußabtreter ging, würde er ihnen den sogar vor das Zelt ihres Il-Khan legen, damit sie damit glücklich wurden! El-Kamil setzte seinen Erkundungsritt fort.
    Auf der Burg Mard' Hazab nutzte El-Aziz die Tatsache, dass sein Bademeister, ein Eunuch, Zutritt zum streng bewachten Harem er-109
    halten hatte, um der Prinzessin zu Diensten zu stehen. Über ihn ließ er Yeza wissen, dass er gekommen sei, sie zu befreien. Er war äußerst entzückt, dass ihre Antwort keineswegs abschlägig ausfiel, sondern lediglich zurückhaltend. Die Prinzessin wünsche zuvor zu erfahren, wie der Plan ihres Retters beschaffen sei. Sie habe keine Lust, ließ ihn der Eunuch wissen, sich auf unüberlegte Abenteuer einzulassen, sondern zöge es vor, die Flucht nur als gut durchdachtes Unterfangen auf sich zu nehmen.
    El-Aziz hatte sich mittlerweile den ominösen Teppich angeschaut. Als er das enorme Stück sah, war er zunächst entmutigt, denn heimlich ließ sich der niemals, auch nicht als Rolle, aus der Burg schaffen. Aber dann kam ihm die geniale Idee, den Kelim als Verpackung einzusetzen, die Prinzessin unsichtbar in der dicken Rolle verborgen! Er schickte den Eunuchen sofort mit diesem Vorschlag zurück zu Yeza - und erhielt eine barsche Abfuhr. Um nichts auf der Welt wolle die Prinzessin mit diesem Teppich nochmals in Berührung kommen, und schon gar nicht hilflos zwischen seine Massen eingequetscht! El-Aziz ließ die Sache auf sich beruhen, er würde gewiss eine ihr genehme Lösung finden, ließ er ihr ausrichten, sie könne sich auf seinen Einfallsreichtum ebenso verlassen wie auf seine treueste Ergebenheit! Das möge die Prinzessin beruhigen und trösten, gab er dem Eunuchen mit auf seinen Weg in den Harem.
    Im salet alfursan, dem hohen Rittersaal der Burg, tafelten der Emir und sein Gast allein zu zweit an der langen Tafel. El-Aziz hatte Yeza gebeten, für die nächsten Tage Unwohlsein vorzutäuschen, damit El-Kamil, gewohnt an ihre verschleierte Präsenz, sich nicht verwundere, wenn ihr Platz leer bliebe. Das würde ihnen bei der Flucht einen gewissen Vorsprung verschaffen. Die Prinzessin hatte eingewilligt, berichtete der Eunuch, aber verlangt, dass der Koch der Köche auch für sie das Essen bereitete, das ihr dann im Harem serviert werden solle. Diese vom besorgten Emir sofort bewilligte Variante brachte den schon um das Nachlassen seines Einfallsreichtums bekümmerten El-Aziz auf neue Gedanken. Erst einmal lenkte er das Gespräch wieder auf den kostbaren Kelim und stieß
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    damit beim Emir offene Türen auf. Wenn der Herr Vetter, El-Aziz, es auf sich nehmen würde, den verdammten Teppich zu den Mongolen zu schaffen, hätte er, El-Kamil keine Probleme, sich von diesem Kleinod persischer Webkunst zu trennen. El-Aziz brachte den berechtigten Einwand vor, dass er zur Bewerkstelligung des Transports über weitaus mehr tüchtige Männer samt Lastkamelen verfügen müsste als nur über sein eigenes, völlig ungeeignetes Gefolge. Das hörte der Emir hoch erfreut, denn auch ihm kam ein Einfall: Er würde morgen einen Clan von Nomaden anheuern, die ausreichend Kamele und genügend Erfahrung hätten. Des Vetters Gesinde, den Meister des Bades und den Koch der Köche, hingegen wolle er gerne in seine Dienste nehmen, um seiner Herzensdame willen, die sonst oben im Harem den vortrefflichen Fähigkeiten dieser von ihr so geschätzten Künstler entsagen müsste. Es bedurfte nicht des vertraulichen Zwinkerns des schwarzbärtigen Vetters, um El-Aziz klar zu machen, dass er die beiden opfern müsste - oder zumindest einem recht ungewissen Schicksal auslieferte. Sie besiegelten ihren Pakt mit Handschlag und Bruderkuss. Angesichts der Unpässlichkeit seiner Gefangenen verzichtete der Emir auf einen Besuch in deren Gemächern. Er wollte früh aufbrechen, um persönlich die notwendige Karawane zu besorgen, und gedachte dies mit einem weiteren Erkundungsritt zu verbinden. Am späten Abend wolle er mit den besagten Nomaden vom Stamme der Seldschuken zurück sein. El-Aziz bestand darauf, im frühesten Morgengrauen des übernächsten Tages aufzubrechen, das hieße, die Leute müssten noch in der gleichen Nacht den Kelim hinaus zu ihren Kamelen schaffen und sie beladen. El-Kamil war alles recht. Ihm lag daran, diesen Teppich so schnell wie möglich wieder loszuwerden. Und wenn er Unglück brachte - was Allah verhüten möge -, dann würde es nicht mehr ihn treffen, ma qadara allah, sondern

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