Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
Vom Netzwerk:
sonderlich schreibwillig -zum Pult, rückte den Kerzenständer zurecht, als ich von der Tür her vernahm, wie ein Riegel vorgelegt wurde, sich der Schlüssel drehte und sich mit metallischem Klacken die Bolzen im Schloss verhakten, dann erst entfernten sich leise die Schritte des Mohren. Die strenge Maßnahme galt kaum der Sicherheit meiner Person als vielmehr dem Schutz des zu erstellenden Manuscriptum. Bevor ich meiner zukünftigen Aufgabe näher trat, sollte ich mich meiner verschwitzten Reisekleidung entledigen, mich endlich erst mal waschen und vor allem in Ruhe gerade über den Anfang nachdenken. Also warf ich mich - so wie ich war - rücklings auf mein Lager ...
    DER EMIR SCHLIEF UNRUHIG den verbleibenden Rest der Nacht. Ihn plagten Träume, die ihn allemal als Gehetzten, Strauchelnden, als Verlierer sahen, was auch immer er unternahm, um den Bedrohungen, Fallstricken und brunnentiefen Löchern zu entgehen. Als er von den heißen Strahlen der Vormittagssonne geweckt wurde, fiel ihm auf, wie still es auf Mard' Hazab war, weder hatte der Koch ihm seinen Morgenimbiss, die geeisten Früchte und den bitteren Pfefferminztee, am Bett serviert, und als er sich erhob und leicht benommen zum marmornen Becken wankte, hatte der Meister des Bades nicht einmal das Wasser eingelassen. Von böser Ahnung befallen, stürmte El-Kamil hinüber in den Harem. Kein Wächter, keine Dienerinnen! Das breite Lager unter dem Baldachin, wo seine Geliebte ihn sonst zu erwarten pflegte, war leer, seiner damastenen Laken ebenso beraubt wie der seidenen Kissen: Die Prinzessin war entführt worden, dieser El-Aziz hatte sie ihm gestohlen!
    Völlig sinnlos hastete er die Treppe hinauf auf das Dach, wo der Teppich gelegen hatte, und warf verzweifelte Blicke hinunter auf das zerklüftete Land, in der wütenden Hoffnung, die Flüchtigen noch zu Gesicht zu bekommen. Nichts! Grell schien die Sonne auf die schroffen Klippen und felsigen Schrunde. Der Emir raste die Stufen hinunter, brüllte nach
    116
    seinen Wachen, seinem Pferd. Als er den Hof der Festung erreicht, tauchten verstört die ersten seiner Leute auf, viele waren es nicht, nur die Getreuesten. Sie zerrten sein Pferd aus dem Stall und umringten ihn fragend.
    »Alle Mann auf die Pferde!«, schrie er ihnen entgegen, sie stoben auseinander. »Wieso sind es so wenige?«, fuhr er den alten Hauptmann seiner Wachen an.
    Der senkte den grauen Schädel. »Sie haben uns verlassen«, murmelte er, »die meisten haben sich der Karawane angeschlossen.«
    El-Kamil raffte die ihm verbliebenen Berittenen zusammen, ließ das Tor öffnen und stob mit der Kavalkade hinaus, den steilen Hang hinunter. Weit konnten die Flüchtlinge noch nicht gekommen sein, die Geschwindigkeit der Karawane bestimmte allemal der Teppich! Im nächsten Tal würde er den Verräter stellen! Der Emir kürzte wütend den Weg ab, preschte durch ein ausgetrocknetes Flussbett und eine tief eingeschnittene Klamm. In halsbrecherischem Ritt galoppierte der kleine Haufen in die vermutete Richtung, der Schwarzbärtige vorweg, die bereits abgeschlagenen Köpfe von El-Aziz und seinen Helfershelfern vor den blutunterlaufenen Augen -
    El-Aziz blickte schwer atmend von der Anstrengung zurück, hinunter ins Tal. Dem Sultanssohn war klar gewesen, dass der hauchdünne Vorsprung niemals ausgereicht hätte, sich weit genug von Mard' Hazab und seinem nach der Entdeckung der Flucht mit Sicherheit vor Wut schnaubenden Emir abzusetzen. Er hatte also die Karawane mit Schmeicheleien und dem Versprechen zusätzlicher Belohnung dazu gebracht, das einladende, bequeme Flussbett zu verlassen und sich der quälenden, Mensch und Tier bis an die Grenzen der Belastbarkeit strapazierenden Anstrengung auszusetzen, in die Felsen der gegenüberliegenden Wand einzusteigen. Schließlich konnte er ja kaum den von El-Kamil gestellten Kameltreibern offenbaren, was es mit der Teppichrolle auf sich hatte. Endlich hatten sie den Scheitel des Felsenriffs erreicht und waren allesamt der Sicht von möglichen Verfolgern entrückt. Eine kurze Rast konnte El-Aziz den ermattet zwischen den Klippen Schatten
    117
    suchenden Leuten nicht verweigern. Er warf einen letzten prüfenden Blick hinab in das Tal. Gerade wollte er sich befriedigt abwenden, da quollen aus den Felsen unter ihm, wie zornige Hornissen, die Verfolger, angeführt vom Emir selbst. Ohne sich zu bedenken, stürmte die Kavalkade genau in die Richtung, wohin sich nach menschlichem Ermessen die Karawane gewandt haben musste.

Weitere Kostenlose Bücher