Der Kelim der Prinzessin
seinen törichten Vetter, der sich immer noch Hoffnungen auf den Thron von Damaskus machte, und er könnte sich -
endlich von diesen djinn befreit - seiner Prinzessin ungetrübt erfreuen.
Am nächsten Abend - reichlich vor der üblichen Stunde des Nachtmahls und der erwarteten Rückkehr des Emirs
- bestellte El-Aziz
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den Koch und den Eunuchen zu sich. Dieser Meister des Bades, ein stämmiger, muskulöser Bursche, galt auch als ein Meister der Gifte. Sein Herr verlangte von ihm ein starkes Betäubungsmittel, das vorhalten sollte bis zum nächsten Morgen. Dies solle der Koch der Prinzessin in die abendliche Speise mischen. Wenn es dann seine Wirkung getan habe, sollten sie Yeza in den Kelim einrollen und diesen gut verschnüren, fertig zur Abholung durch die Karawane. Aber peinlich sollten sie darauf achten, dass ihr Opfer keinen Schaden nähme und vor allem gut und reichlich Luft bekäme. Er würde während dieser kritischen Phase der Operation den Emir davon abhalten, aufs Dach zu steigen, um nach dem Verpacken des Teppichs zu schauen, wie er auch verhindern müsse, dass den Heimgekehrten noch in der Nacht die Sehnsucht nach seiner Herzensdame übermanne. Den beiden Mittätern war nicht sehr wohl bei dem Gedanken, was der schwarzbärtige Emir mit ihnen anstellen würde, wenn er am nächsten Morgen die Flucht der Prinzessin bemerkte.
Als Erstes befahl der hagere Koch seinen Gehilfen, reichlich leere Körbe zu beschaffen, sowie etliche Bambusrohre, die durchgehend durchbohrt sein müssten - wie gewaltige Rohrflöten -, und alles auf das Dach zu bringen, dann machten sie sich an die Arbeit.
El-Aziz erwartete im salet al jursan den heimkehrenden Emir. Er hatte kalten Braten geordert und verschiedene Salate und harrte am gedeckten Tisch aus, bis kurz nach Mitternacht El-Kamil endlich mit der Karawane eintraf.
Der erste Küchengehilfe erschien, um die Speisenfolge zu erläutern und beiläufig mitzuteilen, die Prinzessin habe heute nur leichte Kost verlangt, denn ihr Magen spiele ihr übel mit. Der findige Gehilfe erfand noch unmissverständliche Gesten für heftigen Durchfall und Erbrechen hinzu, sodass dem Emir kaum danach war, sich dieser unerfreulichen und gewiss grässlich stinkenden Situation auszusetzen. Außerdem wurde ihm versichert, der Koch der Köche kümmere sich persönlich um die Zubereitung beruhigender Speisen und der Meister des Bades täte das Seine, damit die Kranke bald in heilsamen Schlaf versinke.
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Diese Nachricht war für El-Aziz das vereinbarte Zeichen, dass alles wunschgemäß verlaufen war und die Teppichrolle zum Abholen bereit lag. Nach Beendigung des gemeinsamen Imbisses trat er an der Seite des Emirs in den Hof der Burg, wo schon die Träger warteten. Er begleitete El-Kamil auch auf das Dach, denn er wollte sichergehen, dass nicht in letzter Minute etwas schief ging, der Emir zum Beispiel doch die Fürsorglichkeit verspürte, im Harem nach der Schlafenden zu schauen. Der Atem stockte ihm, als El-Kamil sich laut verwunderte, wie dick die Teppichrolle sei, derart gewaltig habe er sie keineswegs in Erinnerung. El-Aziz scherzte schlagfertig über die jedem Teppich innewohnenden guten Geister, die sich stets aufplusterten, wenn sie zusammengerollt würden, denn das hätten sie nicht gern. Der Emir dachte erschrocken an die bösen djinn, die er seinem Vetter unterschlagen hatte, und rührte nicht weiter an das Thema. El-Aziz hingegen ritt der sheitan. Als die Träger beim Hochwuchten der Rolle auf ihre Schultern sich über das erstaunliche Gewicht des Kelims beschwerten, setzte er noch perfide hinzu, dass die kleinen Geister sich aus Protest auch noch recht schwer zu machen verstünden, damit der Teppich dort bliebe, wo er lag. Der Emir trieb die Träger mit barschen Worten an, sie sollten sich nicht so anstellen! Er war heilfroh, als die klobige Rolle die Treppen hinunter zu den Kamelen geschafft war und diese die Last gleichmütig auf ihre Höcker verteilten. El-Kamil drängte seinen Vetter zum sofortigen Aufbruch, die Morgendämmerung hatte noch nicht einmal eingesetzt. El-Aziz umarmte ihn und fügte sich der Eile. Kurz darauf öffnete sich das Tor, und die Karawane verschwand in der Dunkelheit. Erschöpft ließ sich El-Kamil auf sein Ruhelager fallen.
Aus der Chronik des William von Koebr uk
Am Ende meiner unfreiwilligen Reise, dessen durfte ich gewiss sein, würde mich neue Schreibfron erwarten, dafür hatte mein gestrenger Zuchtmeister, der Secretarius mit Sicherheit gesorgt.
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