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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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Auch
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    wenn seine Person, und vor allem seine Position innerhalb der geheimen Bruderschaft, nicht die ungeteilte Zustimmung aller in der Führungsspitze des Templerordens fand - wie mir das harsche, fast höhnische Eingreifen des mir unbekannten Kommandeurs mit der krächzenden Stimme bewies, dem ich meine
    ausgewechselte Eskorte verdankte. Das ging wohl auf das Konto der berüchtigten Arroganz der Templer, denn Lorenz von Orta war nur - wie ich - ein Franziskaner!
    Ich sah keinen triftigen Grund, mich im Glauben zu wiegen, dass - wie aus seinen Abschiedsworten zu entnehmen - am Zielort des Gefangenentransports, den man mir zuteil werden ließ - sich gar die ominöse Großmeisterin der Bruderschaft, die geheimnisvolle Grande Maitresse, persönlich herbeilassen würde, mich in Empfang zu nehmen. Ich wusste auch nicht, ob ich mir das wünschen sollte! Und wenn, was würde eine so hochstehende Persönlichkeit von mir armen Minoriten, außer Fleiß und strenge Pflichterfüllung, dann verlangen? Das beschäftigte mich, während ich in meiner engen tragbaren Zelle dem unbekannten Ziel meines Transports entgegenschaukelte. Durch das kleine - unnötigerweise vergitterte - Guckloch der Sänfte sah ich auf die breiten Ärsche der Rappen, auf denen die Ritter meiner Eskorte - ohne je ihre Hundsgugel nach mir, ihrem Gefangenen umzuwenden - über Berg und Tal trabten, von einer Burg zur nächsten. Ich sah ihre Rücken, die hochaufgerichteten Lanzen in ihren Fäusten, die Schwerter im Gehänge ihrer Sättel - aber nie ihre Gesichter! Die Sehschlitze ihrer wie Hundeschnauzen vorne spitz zulaufenden Helme gaben nicht einmal einen Blick auf die Augen frei. Über ihre Schultern geworfen, trugen sie allesamt karminrote Capes, auf denen schwarz das vierfach überhöhte Nagelkreuz der Kirche Sancti Sepulchri prangte, das Wappen des Königreiches von Jerusalem, wenn ich mich recht entsinne. Ich dachte sofort an Roc und Yeza, für die ich mich hier stellvertretend behandelt fühlte, eingepfercht in die dunkle Kiste eines zwar bestimmten, aber nicht erkennbaren Schicksals, vorwärts getrieben, getragen von der geheimen Macht, die auch ihnen den Weg vorgab. Doch zu welchem Ziel? Ich schloss die Augen, denn ob ich nun die Landschaft erkannte, die an mir vorbeizog,
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    oder nicht, ich hatte keinen Einfluss auf das, was mit mir geschah. So musste sich auch das Bild des Lebens für
    >meine Kinder< darstellen, wie ich sie, das Königliche Paar, immer noch trotzig nannte. Ein Leben an einer langen Leine, zwar reich verziert und kostbar anzuschauen, doch unzerreißbar wie eine schwere Eisenkette, unlösbar angeschmiedet an ein Konzept, das nicht sie selbst, sondern andere den Großen Plan nannten.
    Die Ungewissheit über das Ziel meiner Reise fand ein vorläufiges Ende, als wir in der Abenddämmerung eine düstere Burg erreichten und meine seltsame, mir irgendwie zunehmend suspekt erscheinende Eskorte in den Hof der Festung einritt. Diesmal wurde ich nicht, wie sonst üblich, in irgendwelchen Kellerverliesen untergebracht, sondern in einem hellen Turmzimmer, dessen Fenster auf schroffe Berghänge hinausgingen, in der Ferne glaubte ich das Meer zu erkennen. Das ermutigte mich, den Mohren, der mich geleitete - das erste menschliche Gesicht nach langer Zeit, das sich mir zeigte -, zu fragen, wo wir uns befänden? Er rollte seine Augen und grinste mich an.
    »Wenn es Euch dienlich ist, William von Roebruk«, sagte er höflich, »dann wisset, dies Kastell wird der Krak de Mauclerc geheißen!«
    Damit ließ der freundliche Turbanträger mich allein, bis er mir mein Abendessen brachte und mir Wasser reichte, um mich zu erfrischen. Dazu bediente er sich einer Klappe in der Mauer. Dahinter hing an einem Seil ein hölzener Bottich, den er leicht ankippte und aus dem er mir das köstliche Nass aus geöffnetem Spundhahn in eine kupferne Schale goss. Ich wollte mich schon ermattet von den Strapazen der Reise zur Ruhe legen, als er nochmals erschien. Diesmal trug er einen siebenarmigen Kerzenleuchter in mein Gemach, das sofort im hellsten Licht erstrahlte. Mein Kammerdiener gab dazu keine Erklärung ab, sondern zog einen in schlichtes Leder gehüllten Packen hervor. Er löste die Verschnürung und legte das Bündel völlig leerer Pergamentblätter feierlich auf das Schreibpult.
    »Diesen Blättern solltet Ihr noch heute Eure kostbaren Erin-
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    nerungen anvertrauen!«, beschied er mich, verbeugte sich artig und verließ den Raum. Ich trat - nicht

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