Der Kelim der Prinzessin
El-Aziz sah lächelnd auf sie herab. Sein Blick eilte ihnen voraus, um sicherzugehen, dass sie längst verschwunden waren, bevor er mit seiner Karawane den Abstieg begann. Dann erblickte er die Staubwolke, die im gleichen Tal sich schnell vorwärts bewegte, es blitzten die Speere über den wohlgeordneten Reiterblöcken, ein, zwei, drei Hundertschaften der Mongolen trabten ihrem Ziel, der Festung Mard' Hazab, entgegen. Eine scharfe Biegung im Verlauf des Flusstales, eine weit vorspringende Felsnase verhinderte, dass sich der Emir und sein ungezügelter Haufen der Gefahr bewusst wurden, sie galoppierten direkt in ihr Verderben. Genau bei dem Knick würden sie aufeinander prallen - El-Aziz wandte sich ab. Er durfte die Gelegenheit nicht verstreichen lassen, den Vetter war er los, die Mongolen würden weiterziehen, um ihr Mütchen an Mard' Hazab zu kühlen. Vom Teppich wussten sie nichts, aber Yeza würden sie dort suchen. Er trieb die Karawane an, mit dem Abstieg zu beginnen. Am nächsten sicheren Ort wollte er dann die Rolle öffnen lassen und die Prinzessin aus ihrer unbequemen Lage befreien. Es stand nur zu hoffen, dass ihre Betäubung noch anhielt, denn sonst müsste die Arme in der stickigen Hitze sicher entsetzlich leiden -
Seinem Ärger über den protegierten Neffen seines Oberbefehlshabers konnte der General Sundchak nicht einmal Luft machen, als herauskam, dass dieser Schwachkopf sich hatte Pferd samt Waffen stehlen lassen. Die Anwesenheit des Bretonen, dieses besserwisserischen, ziemlich unverschämten Gesandten des französischen Königs, schützte Khazar vor der sofortigen Verhängung einer empfindlichen Disziplinarstrafe, die sonst für jeden Mongolen galt, der sich solches Vergehen zuschulden kommen ließ. Denn da war noch Baitschu, der späte, aber leibliche Sprössling des alten Kitbogha.
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Der forsche Knabe hielt fest zu Khazar, nicht weil der wesentlich Ältere sein Vetter, sondern weil er ihm vom Kopf her weit überlegen war, sodass er den Trottel vor sich herschieben konnte, wohin immer es ihm gefiel.
Khazars breiter Rücken gab ihm Deckung, und der tumbe Klotz hielt es auch noch für Verehrung, die der Jüngere ihm entgegenbrachte. Und Baitschu stand unter den Fittichen des Herrn Yves! So blieb dem verärgerten Sundchak als einzige Möglichkeit, Khazar eins auszuwischen, die, ihn offiziell zu befördern. Er übertrug ihm das Kommando über den Flankenschutz, überließ ihm die Hälfte der Hundertschaft, die die Nachhut stellte, und schickte ihn in die Wüste, in ein unbedeutendes, abgelegenes Seitental, wo weder Freund noch Feind zu erwarten, noch, dass es für die Sicherheit des vorrückenden Hauptteils der Strafexpedition ansonsten von irgendwelcher Bedeutung war.
So kam es, dass El-Aziz, der sich mit seiner Karawane - nach Umschiffung aller Gefährdungen und glücklich überstandenem Abstieg - bereits geborgen wähnte und nur noch nach einem Rastplatz Ausschau hielt, wo er endlich ungestört den Teppich entrollen könnte, sich plötzlich dem Mongolentrupp unter Khazar gegenübersah.
Sie waren ihm quasi auf die Füße gestiegen, denn Khazar sah nicht ein, warum seine Leute sich nicht neben ihren -diesmal gut bewachten - Pferden im Schatten der überhängenden Felsen eine ausgedehnte Ruhepause gönnen sollten. Da kamen diese Kamele von oben! Nun kannten sich Khazar und El-Aziz vom Audienzzelt des Il-Khan her, allerdings war beiden nicht so recht klar, was der andere hier zu suchen hatte. Doch der Sultanssohn war dem geförderten Neffen an Findigkeit überlegen, zumal der helle Baitschu nicht zugegen war. El-Aziz präsentierte frech seinen >Schutzbrief< mit dem Siegel Hulagus, wies auch auf die Teppichrolle, die er jetzt zum Il-Khan brächte, nachdem ihr Transport dem unglückseligen Atabeg aus den Fingern geglitten war. Das alles verwirrte, überforderte den gutmütigen Khazar. Er wünschte dem >Pagen<, der zum Iltschi des großen Hulagu aufgestiegen war, eine gute Reise und befahl seiner halben Hundertschaft, sich jetzt wieder zu erheben, um den befohlenen Flankenschutz Richtung Mard' Hazab fortzusetzen. Auch fand Khazar, dass alles schon deswe-119
gen seine Richtigkeit haben müsste, weil es letztlich gerecht war. Schließlich war ja auch er - trotz seines peinlichen Missgeschicks -zum Kommandeur befördert worden. In einer großen Staubwolke entschwanden die Mongolen.
El-Aziz übernahm den Lagerplatz, denn hier sprudelte eine Quelle aus dem Fels. Er ließ die Teppichrolle behutsam auf
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