Der Kelim der Prinzessin
auf dem Teppich erblickte. Roc sprang ab und schritt - gemessen an der Begeisterung, die ihm entgegenschlug - eher mit lässiger Selbstverständlichkeit auf den Roten Falken zu. Jeder, die wir hier versammelt waren, kannte den Trencavel gut genug, dass auch er sich an unsere Gesichter erinnern musste, doch Roc ignorierte uns verbliebene Spieler völlig. Madulain wurde mit den üblichen Wangenküssen bedacht, die er auch kühl mit dem Emir austauschte.
Der Rote Falke war doch immerhin - wie in gewisser Weise auch ich - eine der wichtigsten Figuren gewesen, die damals am Montsegur - und seitdem eigentlich ohne Unterlass - den Kindern des Gral zu rettenden Hütern wurden?
Ich verstand Rocs befremdliches Verhalten nicht! Uns, die wir mangels des vierten Mannes das Spiel zwangsläufig unterbrochen hatten, bedachte er lediglich mit einem mürrischen, wenig einladenden Blick, bis wir uns dann erhoben und vor ihn traten, um ihn zu begrüßen. Ich muss sagen, ich fühlte mich unter meinem Rang behandelt. Schließlich verband mich, den Älteren, eine tiefe Freundschaft mit Roc Trencavel, und das seit seinen Kindesbeinen! Er umarmte mich, sagte: »Ach, William« in einem Ton, dass ich das ungesprochene »Schön, dich mal wieder zu sehen« wie einen kalten Guss zu spüren bekam.
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Meinen Gefährten erging es nicht besser - allerdings hatten sie nie dieses innige Verhältnis zu Rog, auf das ich zurückblicken konnte. Die Ritter aus Armenien, es waren fünf an der Zahl, hatten sich freundlich zu uns gesellt, genauer gesagt, drängten sie sich sofort um die einzige Frau in unserer Gesellschaft. Das war Madulain, und wenn auch ihr Mann wenig begeistert dreinschaute, die gebürtige Prinzessin der Saratz übernahm sogleich mit Würde und Herzlichkeit die Rolle der damna und Gastgeberin. Hingegen fiel mir auf, dass der wesentlich größere Haufen der Herren aus Antioch in einem Abstand verharrte, der mir feindselig erschien, als hätte jemand eine unsichtbare Schranke zwischen ihnen und denen errichtet, die ihr Anführer Roc Trencavel gerade begrüßte,
- oder, dass sie nichts mit uns zu tun haben wollten. Erst waren sie forsch auf unser Lager zugeritten, doch plötzlich rissen die Vordersten ihre Pferde herum, kehrten uns den Rücken und scharten sich dicht gedrängt um ihre Fahne. Gut, die Antiocher sind für ihren Hochmut verschrien, mir schien es ein schon fast beleidigendes Verhalten! Doch anscheinend kümmerte das niemanden außer mich! Aller Augen und Ohren waren einzig auf den Trencavel und den Emir gerichtet. Selbst der weithin sichtbare, in seinen dunkelglühenden Farben auch kaum übersehbare Kelim stellte mit keiner Silbe Bestand des Gespräches dar, das sich jetzt zwischen Roc und dem Roten Falken entspann. Der Ton wurde schnell gereizt und aggressiver. Es ging um die Suche nach Yeza.
Für den Emir war es selbstverständlich, dass sie beide - nach diesem glückhaften wie unverhofften Zusammentreffen - ihre Kräfte vereinen würden, um gemeinsam alles zu unternehmen, Roc und Yeza glorreich wieder zum Königlichen Paar zu erheben. Dafür habe man sich auf den Weg gemacht! Das klang nach einem Vorwurf des Roten Falken und sollte es auch wohl sein.
Rog verbat sich prompt diese Einmischung in sein Leben. Was Yeza anbelange, so würde diese ebenfalls - so stehe jedenfalls zu hoffen - in der Lage sein, sich frei zu entscheiden, welches der ihr angemessene Weg sei! -
Ein schnödes Wort zog das nächste nach sich, der Emir rief seine Frau zu sich.
»Wir haben hier nichts mehr verloren«, erklärte er ihr bitter.
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»Mir wäre wohler ums Herz, ich wäre Roc Trencavel auch nie begegnet.«
Madulain versuchte ihn zu versöhnen, sie griff nach Roc, um ihn zu sich und den Roten Falken heranzuziehen, doch der drehte ihr den Rücken zu und schüttelte sie ab. Eine derartige Brüskierung alter Freunde war auch mir zu viel. Als der Emir jetzt, gefolgt von der tief bekümmerten Madulain, auf sein Reittier zuging, raffte ich mich auf und trat tapfer vor den Unleidlichen.
»Ich hoffe, Roc«, sagte ich mit doch wohl belegter Stimme, »dass wir uns nicht das letzte Mal gefunden haben.«
Ich fühlte einen Kloß im Hals. »Wenn es eine weitere Gelegenheit geben sollte, wünsche ich mir eine Stimmung, die der herzlichen Freundschaft entspricht, die ich für dich und Yeza stets empfunden habe und die ich euch halten werde bis ans Ende meiner Tage.«
Mir waren nun doch die Tränen gekommen, und ich fiel schluchzend dem Trencavel um
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