Der Kelim der Prinzessin
den Hals. Er ließ mich ausheulen, dann löste er sich aus meiner Umarmung und rief mit düsterer Stimme hinter dem Roten Falken her, der ob meines Weinkrampfs stehen geblieben war.
»Einen anderen Empfang hätte auch ich mir vorstellen können, anstatt meine Freunde - oder die sich als solche ausgeben - offensichtlich beim Spiel zu stören!«
Das war zwar an die Adresse von Joshua und David gerichtet -wohl weniger an Madulain -, ich hingegen konnte mir den Schuh anziehen, doch der Emir gab sich unversöhnlich, so sehr sein Weib ihn auch bedrängte, auf Roc zuzugehen. Er schaute Roc nur lange schweigend an, bevor er sich endgültig abwandte.
Das rang dem nun erst recht erregten Trencavel eine weitere Erklärung ab. »Ich will gern mit Yeza wieder vereinigt sein«, wandte er sich an mich, »aber nicht mit der Hilfe von Leuten, die sich dem vertrauten Umgang mit diesem Kelim anheim gegeben haben!«
Ich hätte brennend gern gewusst, was er eigentlich gegen unsere harmlose Spielleidenschaft hatte, auch wenn er es jetzt auf den Kelim schob, der uns als bequeme Unterlage diente, doch ich wollte die Begleitung des Emirs nicht verlieren, der schon sein Reitkamel bestiegen hatte. Ich hatte mich festgelegt und wollte nun auch 216
nicht klein beigeben. Doch wenigstens wünschte ich mich von meinen Gefährten aus Jerusalem zu
verabschieden, ihnen meine Entscheidung zu erklären, auch, wenn sie diese »Fahnenflucht nicht akzeptieren würden. Ich lief also zum Roten Falken, gerade als auch sein Weib bei ihm eintraf.
»Es liegt mir fern, Euch umzustimmen, aber angesichts der schon tief stehenden Sonne«, bettelte ich, »lasst uns den Aufbruch doch bitte auf morgen Früh verschieben?!«
Ich hatte wenig Hoffnung auf sein Einlenken gehegt, aber es war Madulain, die sich für meinen Vorschlag und damit für meine Nöte verwandte. Wir rangen gemeinsam dem Roten Falken ab, dass wir an anderer Stelle der Oase unser Nachtlager aufschlagen würden - getrennt von Rog und seinem Haufen schon durch den Kelim, der seit den Streitigkeiten verlassen auf dem sandigen Boden lag, sprungbereit in seiner leuchtenden Düsternis wie ein vielfarbig gescheckter Tiger - wenn es eine derartige Bestie denn geben sollte! Die goldgelben Strahlen der Abendsonne, die durch das Blattwerk der Büsche drangen, zeichneten immer neue, pausenlos ihre Gestalt verändernde Figuren auf den mich sowieso schon beunruhigenden Teppichgrund. Auch der Haufen aus Antioch lagerte in gebührender Distanz am Rande der Oase, ohne dass bislang auch nur einer der Ritter uns seine Aufwartung gemacht hätte.
KAUM WAR YVES DER BRETONE an der Seite von Khazar davongeritten, machte sich im Turm der Gebeine eine gewisse Erleichterung bemerkbar. Baitschu war zur Tür gesprungen und spähte hinaus. Die meisten aus der Mongolentruppe waren bereits aus seiner Sichtweite entschwunden, sie begleiteten ihren Anführer Khazar und den Bretonen, der ihren Schutz zwar nicht angefordert hatte, ihn aber klugerweise akzeptierte. Ehe Yeza den Knaben zurückhalten konnte, war Baitschu hinausgeschlüpft und lief auf die noch bei ihren Pferden herumstehenden Leute seines Vetters zu, er kannte die meisten, und sie wussten, dass er der Sohn ihres Oberbefehlshabers Kit-217
bogha war. So konnten sie ihm auch schlecht sein Verlangen nach zwei von ihren Pferden abschlagen. Sie mochten den munteren Knaben und nahmen dafür auch den zu erwartenden Anraunzer in Kauf. Also gaben sie ihm, was er wünschte, und Baitschu kehrte stolz mit den beiden Pferden zum Turm zurück. Yeza hatte ihn mit Bangen - und einer gewissen Rührung erwartet. Unrecht hatte der wache Bursche ja nicht: Sie musste die Gelegenheit beim Schöpfe packen und sich aus dem Griff des Bretonen befreien - wenn jetzt nicht, wann dann noch!? So kam sie ihm lächelnd entgegen, was für Baitschu schon die größte Belohnung seiner eigenmächtigen Handlung darstellte, denn er hatte damit gerechnet, die heißverehrte Prinzessin erst noch zur Flucht überreden zu müssen. Dass Yeza jetzt wie selbstverständlich ihn als ihren Begleiter, Beschützer akzeptierte, überwältigte ihn, und er blinzelte verlegen hinüber zu Jalal, der Yeza hinausgefolgt war.
Dem Sufi war sofort klar gewesen, dass dies die Stunde des Abschieds von einem Traum war, dem Traum von der Wiederkehr der großen Königin Zenobe, der Errichtung einer einzigartigen Herrschaft der Geistesliebe und der Poesie, einer Zeit des ungetrübten Glücks für die Derwische von Palmyra! Es war
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