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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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Ali aus seinem Blickfeld -
    Aus der Chronik des William von Koebr uk
    Gekettet an ein Brunnenloch in der Wüste - als Oase konnte man die drei mageren Dattelpalmen beim besten Willen nicht bezeichnen -, hockten wir nun auf diesem Kelim und vertrieben uns die Zeit mit dem Wesen-Spiel.
    Wenn ich bedenke, mit welch ungestümem Tatendrang wir uns in Jerusalem aufgemacht hatten, einzig das Forschen nach dem Königlichen Paar Rog und Yeza hatten wir uns auf die unsichtbare Fahne geschrieben, und jetzt hingen wir, samt unseren noblen Vorsätzen, schlaff auf diesem Ungetüm von Teppich herum, den wir uns von den Tuareg hatten andrehen lassen. Wohl oder übel, denn eine Wahl hatten uns diese räuberischen Berber nicht gelassen, aber nun einmal in seinem Besitz, zwang uns auch keiner, dass wir uns wie Sklaven dieses zugegebenermaßen sehr prächtigen Kelims verhielten. Wir hätten die uns abgepresste Kaufsumme einfach als recht günstigen Preis für unser Leben ansehen, den Teppich der Wüste oder zukünftigen Besuchern der Oase überlassen können und wären frei von allem Ballast weitergeritten. Es war wie verhext! Zumindest Joshua, unser Kabbaiist, und David der Templer waren ihrer Spielleidenschaft wie im Rausch verfallen, seitdem der Kelim ihnen als Unterlage diente. Sie hätten jedem
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    mit Mord gedroht, der es wagen sollte, ihnen den Teppich unter den Ärschen wegzuziehen oder sie von ihrer Spielwiese zu vertreiben! Aber auch der Rote Falke nahm eher hin, dass sie ihm sein Weib abspenstig machten -
    die Prinzessin der Saratz zählte längst zum festen Stamm der unentbehrlichen Mitspieler -, als dass er ein Machtwort gesprochen hätte. Ihm lag nichts an diesem Kelim, und doch wirkte der Emir wie gelähmt, als hätte schleichendes Gift sein edles Blut befallen, seitdem wir Eigentümer des Teppichs geworden waren - oder umgekehrt: Der Kelim beherrschte uns wie ein böser djinnl Und da zum Wesen-Spiel vier Leute benötigt wurden und Ali seit der letzten Nacht verschwunden, riefen mich die bereits um die Stäbchenpyramide Versammelten mit unflätigen Beschimpfungen herbei, weil sie endlich beginnen wollten. David der Templer hatte schon mit dem Austeilen begonnen. Nach Durchsicht meiner zwölf Stäbchen sah ich für mich die Möglichkeit, die
    »Elementaren Prinzipien« mit den »Wesentlichen Neigungen« zu kombinieren. Mir lag - nach den Turbulenzen der letzten Zeit und auch angesichts der zunehmenden Gereiztheit meiner Partner - an einem Spiel der Harmonie! Da Madulain, die ihren Ärger über Ali noch nicht geschluckt hatte, und Joshua, der sich über die Anwürfe des Burschen doch mehr erregt hatte, als er zeigen wollte, sich gegenseitig in den trügerischen Untiefen des Wassers und des Mondes bekriegten, konnte ich mein friedvolles Anliegen nahezu unbehelligt vorantreiben.
    Auch David kam mir nicht ins Gehege. Mein einarmiger Freund schien sich diesmal zwischen Aer, der Luft, und dem vielgesichtigen Hermes der Spiritualität verschrieben zu haben. Ich beobachtete seine Strategie aufmerksam, war er doch der Einzige, mit dem ich mich bei den von mir begehrten Fabelwesen würde auseinander setzen müssen. Noch schien der Templer zu schwanken zwischen Okkultismus und Inspiration, zwischen dem Gift der Schlange und dem Gegengift des Medicus. Diese stete Wechselwirkung würde ihm noch zu schaffen machen, wenn ihm nicht der Lapis ex coelis, das »Höchste Wesen«, wundersam aus dem Gezerre zwischen Feuersalamander und den Krallen des Phönix erretten sollte.
    »Wir werden schon wieder gestört!«, rief Josh der Zimmer-
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    mann verärgert und warf seine Stäbchen auf den Teppichboden. Ich drehte mich langsam um, schon um Madulain kein diebisches Schielen in mein Spiel zu schenken, worauf die Saratz stets aus war wie eine Elster. Es waren offensichtlich Ritter aus den Kreuzfahrerstaaten der Küste, die sich bis hierhin vorgewagt - oder verirrt hatten. Ich erkannte die Fahnen Antiochs und die des armenischen Königs. Als die Reiter sich sicher waren, dass wir nur wenige waren und auch kein Köder für einen Hinterhalt, kamen sie in gelockerter Form näher. Der Rote Falke hatte sich erhoben, doch es war sein Weib Madulain, die plötzlich mit einem wilden Schrei aufsprang, in ihrem Ungestüm die Pyramide über den Haufen stieß und mit dem Ruf »Roc Trencavel!« den Emir auf den Anführer der Ritter hinwies.
    Es war tatsächlich Roc, er musste mich erkannt haben, aber er schaute ostentativ, ja fast verächtlich weg, als er uns

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