Der Kelim der Prinzessin
- kulu sheien min iradatu allah\« Der Derwisch wirkte plötzlich sehr gelöst. »Nicht einmal ich, der ich Euch nach Palmyra brachte, bin schuldig am Schicksal seiner Bewohner noch die Mongolen, die es hierher verschlug - alles ist Allahs Wille!«
In das Schweigen rief Baitschu: »Sie schwärmen aus, unsere Reiter bewegen sich auf uns zu!« Seine Stimme überschlug sich vor Begeisterung für die siegreichen Hundertschaften.
»Schrei nicht so laut!«, raunzte Yves den eifrigen Beobachter an, der daraufhin erschrocken verstummte. »Sie kommen näher!«, flüsterte er aufgeregt.
Yeza wünschte, sie könnte den unbedachten Knaben von da oben an den Füßen herunterzerren oder ihm wenigstens die Hand auf das Plappermaul pressen, denn Baitschu begann jetzt, zwischen den obersten Sarkophagen herumzuhüpfen. »Es ist Khazar!«, rief er jubelnd. »Khazar führt die Reiter an!« Erst jetzt merkte er, dass keiner seine Freude teilte.
Yves, der sich im Schatten hielt, äugte angespannt durch den offenen Türspalt. Ohne sich nach ihr umzudrehen und ohne Widerspruch zu dulden, richtete er das Wort an Yeza. »Ich werde allein hinausgehen«, befahl er heiser.
»Ihr rührt Euch nicht, bis ich Euch hole!« Er schob die Bohlentür beiseite und trat mit gezücktem Schwert aus dem Turm. Es war Khazar, der ihm entgegenschritt.
»Noch jeden Gefangenen habe ich befreit!«, deklamierte leise der Derwisch, seine Erleichterung war spürbar in der hohen Gruft. »Die Zähne des Drachen, ich zwang sie auseinander!« Jalal lächelte Yeza aufmunternd zu.
»Selbst den dornigen Pfad der Liebe, ich bestreute ihn mit Rosen!«
210
ALI, DER SOHN DES LETZTEN, gestürzten und ermordeten Ayubitensultans von Kairo, ließ den schwarzen Leibwächter des dicken Oberhaupts der Räuber vor sich herreiten. Das Amulett, das er jetzt um den Hals trug, brannte ihm auf der Brust, als würde die silberne, fein ziselierte Hand aus glühendem Eisen sein. Der dicke Anführer der Tuareg hatte ihm das Lederband mit der hamsa eigenhändig, fast väterlich umgehängt.
»Zahlt Ihr nicht«, hatte er dabei gemurmelt, während seine fleischigen Hände noch seinen Hals tätschelten,
»wird dieses Leder - «, und er drehte das Band zusammen, bis es Ali zu würgen begann, »Euch zu eng werden!«
Dann hatte er ihn losgelassen.
Ali fuhr sich jetzt noch an den Hals, als würde ihm die Luft abgeschnürt. Er durfte sich nicht gehen lassen.
Als er genügend Abstand zwischen sich und die Oase gebracht hatte, wo die Tuareg auf die Rückkehr des riesigen Nubiers warteten, hieß Ali ihn halten und absteigen. Der Schwarze hielt den Sack mit dem abgeschnittenen Kopf unschlüssig in der einen Hand. Es tropfte dunkel in den Sand. In der anderen hielt er seinen mächtigen Scimtar umkrampft. Ali ließ ihn zehn Schritt nach vorne tun, dann sieben zur Seite, drei zurück und noch zwei zur anderen. Der Riese stapfte zunehmend verwirrt durch die Dünen. Dann befahl Ali ihm zu graben, mehr rechts, nein, höher, weiter links. Der Herumgescheuchte stieß brummend seinen Scimtar in den Sand und begann mit bloßen Händen ein Loch zu graben. Er wühlte sich tiefer und tiefer, seine Pranken waren wie Schaufeln - aber Gold kam keines zum Vorschein. Der Riese fühlte sich zum Narren gehalten. Ärgerlich schnaufend schickte er einen fragenden Blick hinauf zu Ali, der immer noch - und im sicheren Abstand - auf seinem Kamel hockte.
»Nun werft den Sack hinein und schaufelt das Loch wieder zu!«, lautete der Befehl, der Schwarze war über diese Frechheit empört.
»Und das Gold?!«, bellte er, seinen Argwohn bestätigt sehend. Er schätzte bereits ab, ob er mit einem gewaltigen Satz den Unverschämten von seinem Tier reißen könnte - da flogen die ersten
211
Goldmünzen neben ihm in den Sand, er musste aufpassen, wo sie landeten, er klaubte rechts, er klaubte links. Ali hatte seinen Leibgurt, verborgen unter dem weiten burnus, gezogen und warf ihm die abgezählten Goldstücke zu wie Almosen, nur immer mehr und immer schneller, sie fielen in das Loch, wurden von herabrieselndem Sand verschüttet, rutschten unter den blutigen Sack - als der Riese fast verzweifelt und blind vor Wut über die ihm angetane Schmach nach seinem Peiniger schaute, um sich auf ihn zu stürzen, ihn mit bloßen Händen zu erwürgen, da waren Kamel und Reiter schon unerreichbar weit von ihm entfernt - und er hatte noch längst nicht alle dreißig Münzen beieinander, auf denen sein Herr bestehen würde. Und so verschwand
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