Der Keller
dass Sie das Buch ebenfalls mit einer gewissen Skepsis gelesen haben. Sie haben es doch gelesen?«
»Nun, wer hat das nicht?«
»Tja, wohl nur wenige.«
»Dürfen wir Ihnen einen Drink spendieren?«, fragte Blake.
»Nein, vielen Dank«, sagte Tyler. »Wir sind mit Freunden hier. Und die wollen wir auch nicht länger warten lassen.«
Nora schnippte mit den Fingern. »Ihnen gehört der Mercedes, stimmt’s? Wir sind Nachbarn.«
»In diesem Fall werden wir uns sicher noch öfter über den Weg laufen.«
»Sind Sie nur auf der Durchreise oder…« Plötzlich weiteten sich ihre Augen. »Sie sind wegen dem Horrorhaus hier! Sie wollen ein Buch darüber schreiben! Das ist also das ›Geheimprojekt‹, das Sie auf der Party erwähnt haben.«
»Nein, nein«, sagte Hardy. »Da liegen Sie völlig falsch. Wir sind auf dem Weg nach Portland zu einer Lesung.«
»Trotzdem werden wir uns dieses Haus ansehen«, sagte Blake.
»Natürlich. Wer könnte schon auf eine Führung durch das berühmte Horrorhaus verzichten?«
»Wann wollen Sie die Führung mitmachen - morgen?«
»Ganz genau«, antwortete Blake.
Nora grinste. »Also, vielleicht sieht man sich ja.«
Tylers Magen krampfte sich zusammen. »Wir müssen«, sagte sie.
»Bis später.«
»Zu schade«, sagte Blake und zwinkerte Nora zu. Zwinkerte!
»Ciao«, sagte Hardy.
Tyler verzog das Gesicht. »Wiedersehen«, sagte sie und war froh, endlich zu dem Ecktisch gehen zu können.
»Unglaublich!«, flüsterte Nora.
»Meinst du Brian Blake?«
»Den auch. Und dass sie eine Story über das Horrorhaus schreiben wollen.«
»Wollen sie doch gar nicht.«
»Das behaupten sie zwar, aber ich glaube ihnen kein Wort. Sie wollen nur nicht, dass jemand davon erfährt und ihnen zuvorkommt.«
»Möglich.«
»Möglich? Jede Wette, würde ich sagen. Und wir werden live dabei sein, wenn sie die Führung machen. Ein großer Moment der Literaturgeschichte. Wir waren Zeuge, als Gorman Hardy zum ersten Mal das Horrorhaus betrat!«
»Du warst Zeuge.«
»Ach, du wirst schon …«
»Tut uns leid, dass ihr so lange warten musstet«, unterbrach Tyler sie.
»Kein Problem«, sagte Abe und stand auf. Er trug eine graue Hose und einen blauen Blazer. Auf eine Krawatte hatte er verzichtet und der Kragen seines gelben Hemds stand offen. »Habt ihr Freunde von euch getroffen?«
»Nicht unbedingt Freunde«, sagte Tyler und setzte sich neben ihn.
Nora ließ sich ebenfalls nieder und tätschelte den Ärmel von Jacks grellkariertem Sportjackett. »Die zwei da an der Bar«, sagte sie. »Das sind Gorman Hardy und Brian Blake.«
»Brian Blake?«, fragte Jack und sah Nora mit vor Neugier blitzenden Augen an. »Der Champion im Mittelgewicht aus Pitts-burgh?«
»Aber nein«, sagte Abe. »Der heißt Byron Blake.« »Wer ist der Kerl dann?«
Abe winkte der Kellnerin, die prompt auf ihren Tisch zukam. »Kennst du das Buch Der Schrecken von Black River Falls?«
»Ich hab den Film gesehen.« Er sah Abe an. »Das ist doch der Streifen mit diesem Spukhaus, wo Blut aus dem Wasserhahn kommt und die Frau sich zum Schluss die Pulsadern aufschneidet, oder?«
»Den Film hab ich auch gesehen«, sagte Abe. Er wirkte ziemlich unbeeindruckt.
Sie gaben ihre Bestellung auf.
Jack beugte sich zu Nora vor. »Dieser Blake, ist das der Schönling da? An den kann ich mich gar nicht erinnern. Wen hat er gespielt?«
»Er hat überhaupt nicht mitgespielt«, sagte Nora heiter und ohne den leisesten Vorwurf. »Aber es ist seine Geschichte. In Wirklichkeit war es sein Haus, und seine Frau hat Selbstmord begangen.«
»Quatsch«, sagte Jack.
»Wieso Quatsch?«
»Das Ganze ist nie passiert. Mich können die nicht verarschen. Gut, vielleicht hat sich seine Frau tatsächlich das Licht ausgeblasen, aber Geister? Blut aus dem Wasserhahn? Die Flüche an der Wand? Eine Axt, die einfach so auf den Typen zufliegt? Glaubt ihr an so einen Scheiß? Ich nicht.«
»Frag ihn doch einfach selbst«, schlug Nora vor.
»Glaubst du daran?«
»Ich weiß nicht so recht. Ich habe im Fernsehen gesehen, wie er darüber berichtet hat, und es klang ziemlich überzeugend.«
»Niemand ist glaubwürdiger als ein talentierter Scharlatan.«
»Der andere Typ«, sagte Abe. »Ist das wirklich Gorman Hardy, der Schriftsteller?«
»Ganz genau«, sagte Tyler.
»Ich habe ein paar von seinen Büchern gelesen. Diese Geistergeschichte auch.«
»Und was hältst du davon?«
»Also, ich will nichts ausschließen.«
Jack verzog das Gesicht. »Du liebe Zeit, Abe
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