Der Keller
…«
»Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, Horatio …«
»Geister?«
»Hast du Denny Stevens schon vergessen?«
»Du mit deinem Denny Stevens. Das war eine Halluzination.«
»Das ganze Platoon hat halluziniert?«
»Massenpsychose.«
Abe warf Jack einen kritischen Blick zu, dann sah er Nora und Tyler an. Er starrte auf seine Hände, die gefaltet auf dem Tisch lagen. »Stevens bildete die Vorhut. Das war ‘67, im Dschungel in der Nähe vom Vu-Gia-Fluss. Er trat auf eine Antipersonenmine. Sie hat ihm das rechte Bein abgerissen, und als wir ihn erreichten, war er bereits am Blutverlust gestorben. Seine Hauptschlagader …« Er schüttelte den Kopf. »Auf jeden Fall, ein paar Stunden später kamen wir zu einem Dorf. Dem Aufklärungsbericht nach hatte der Viet-cong es bereits verlassen, und wir hatten nichts zu befürchten. Wir hielten trotzdem die Augen offen, obwohl wir keinen Ärger erwarteten. Wir waren etwa fünfzig Meter von der ersten Hütte entfernt, als Danny Stevens dahinter auftauchte. Er ging auf uns zu, als hätte er noch beide Beine.«
»Und in gewissem Sinn hatte er sie auch noch«, warf Jack ein.
»Er trug sein rechtes Bein wie ein Gewehr, die Hand um den Stiefel und den Oberschenkel an die Schulter gelehnt.«
»Herr im Himmel«, murmelte Nora.
»Wir waren alle … ziemlich verwirrt. Wir standen einfach nur da und starrten Stevens an. Er winkte uns zu, als wollte er uns warnen. Dann zerschmolz er irgendwie zu einer Pfütze und verschwand. Wir gingen sofort in Deckung. Wir alle wussten, dass er zurückgekommen war, um uns zu warnen. Und dann brach die Hölle los. Wir wurden ordentlich in die Mangel genommen, aber ohne Stevens hätten sie das Platoon komplett ausgelöscht.«
»Ihr müsst Abe entschuldigen«, sagte Jack. »Sonst ist er eigentlich ganz normal.«
»Jeder Überlebende dieses Angriffs wird bestätigen, was ich gesagt habe.«
»Du solltest Hardy diese Geschichte erzählen«, sagte Jack. »Vielleicht macht er ein Buch draus.«
Die Kellnerin kehrte mit einem Tablett voller Getränke zurück und stellte vor jeden zwei Drinks. Abe bezahlte. »Ich bringe Ihnen sofort noch mehr Horsd’oeuvres«, sagte sie und verschwand.
Abe wischte mit den Fingern über die Öffnung seiner Bierflasche und hob sie hoch. »Und deshalb«, sagte er, »will ich nicht ausschließen, dass Hardy die Wahrheit schreibt. Aber für bare Münze nehme ich sein Buch natürlich auch nicht.«
»Nora glaubt, dass er hier ist, um über das Horrorhaus zu schreiben.«
»Was er natürlich bestreitet«, sagte Nora. »Aber ich habe ihn durchschaut. Ich weiß, dass er morgen das Haus besucht. Und ich werde auch da sein. Selbst wenn ich allein gehen muss.«
»Soll ich mitkommen?«, fragte Jack.
»Klar. Super!«
Abe sah Tyler an. »Hast du deinen alten Freund gefunden?«
»Nein. Er ist offensichtlich umgezogen.«
»Und er arbeitet im Horrorhaus«, sagte Nora. »Hey, vielleicht kommen wir umsonst rein.«
»Ich weiß nicht so recht«, sagte Tyler.
»Angsthase.«
Kapitel neun
Brian Blake war allein in seinem Zimmer. Er nahm den Hörer ab und wählte die Nummer der Rezeption. Ein Mann ging an den Apparat, aber auch darauf war er vorbereitet. »Entschuldigen Sie die Störung, aber ich kann in meinem Zimmer keinen Eiskübel finden.«
»Ich werde Ihnen sofort einen bringen lassen.«
»Vielen Dank«, sagte er und legte auf.
Er öffnete die beiden Zwischentüren. Gorman, der gerade dabei war, das Tagebuch noch einmal zu lesen, sah auf.
»Sie kommt«, sagte er. »Das hoffe ich zumindest.«
»Großartig. Ich wünsche dir viel Vergnügen, aber geh behutsam mit ihr um. Wir wollen sie ja nicht verschrecken.«
»Du kannst mir vertrauen.«
»Als hätte ich eine andere Wahl.«
Lachend schloss Brian die Tür. Er nahm ein ockerfarbenes Jackett aus seinem Koffer und schlüpfte hinein. Als er es zuknöpfte, hörte er ein leises Klopfen. »Ja?«, rief er.
»Zimmerservice. Ihr Eiskübel.« Es war Janices Stimme. Brian lächelte und öffnete die Tür.
»Ich habe ihn schon gefüllt«, sagte sie.
»Vielen Dank.« Er nahm ihr den Plastikeimer aus der Hand. »Kommen Sie doch einen Augenblick rein.«
Janice betrat den Raum und sah sich um, offensichtlich auf der Suche nach Gorman. Sie trug Jeans und ein hellblaues Sweatshirt.
»Wie geht es Ihnen?«, fragte Brian und schloss die Tür.
»Wegen der Drinks, meinen Sie? Es geht mir schon besser, aber ich musste mich ein bisschen hinlegen. Ich hätte fast das Abendessen
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