Der Keller
beugst du dich zu weit vor. Der linke Arm darf nicht so herunterbaumeln. Er verdeckt ja deine Brust. Etwas gerader. Noch ein bisschen. So. Exzellent.«
Er stellte sich wieder hinter seine Leinwand und sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. »Sieh mich an, mein Schatz. Als wäre da etwas über meiner linken Schulter. Genau.« Er beobachtete sie eine geraume Zeit. »Nein.«
»Was?«
»So geht das nicht… Du musst irgendwie erschöpfter aussehen.«
»Soll ich mich in den Sand legen?«
»So erschöpft nun auch wieder nicht. Ein bisschen Bewegung muss dabei sein.« Er überlegte einen Augenblick. »Halt still«, sagte er und kam wieder zu ihr ins Wasser. »Leider Gottes werden wir dein schönes Kleid ruinieren müssen.«
»Alles für die Kunst.«
Er zog sein Schweizer Taschenmesser und durchtrennte den linken Träger von Sandys Kleid. Dann zupfte er an dem feuchten Stoff und legte ihre Brust frei. »Viel besser«, sagte er. »Jetzt siehst du wirklich aus, als wärst du in Not.«
»Ich fühle mich auch besser«, sagte sie und war froh, den nassen Stoff wenigstens teilweise los zu sein. »Vielleicht sollte ich mich ganz ausziehen.«
»Nein, nein, nein. Das habe ich dir doch schon erklärt.«
»Ich weiß, ich weiß.«
»Das wird ein großartiges Bild.« Er ging wieder zur Staffelei zurück.
»Blaze?«
»Ja?«
»Wie wär’s damit?« Ohne seine Erlaubnis abzuwarten riss sie die Vorderseite ihres Kleids auf, bis ihr rechtes Bein bis zur Hüfte entblößt war.
Er strahlte sie an. »Perfekt! Du bist ein Genie!«
»Deshalb bin ich auch zwanzig Prozent wert.«
»Nein, nein. Da hast du mir keine andere Wahl gelassen.«
»Du kannst mich jederzeit entlassen.«
»Führ mich nicht in Versuchung.«
Sie wusste, dass er das nie im Leben tun würde. Blaze verdiente mit seinen Bildern von Sandy so gut, dass er ihr wohl auch fünfzig Prozent überlassen hätte, wenn sie darauf bestehen würde.
Er schien anfangen zu wollen, also starrte sie wie gebannt an seiner linken Schulter vorbei.
Nicht, dass dort etwas Besonderes zu sehen gewesen wäre.
Etwa fünf Meter hinter ihm war eine Felsklippe. Sandy tat so, als wäre sie nicht da und starrte durch sie hindurch, als würde sie in der Ferne etwas erspähen können. Einen sich nähernden Fremden beispielsweise.
Dann fragte sie sich, wie viel Blaze wohl tatsächlich herausrücken würde. Möglicherweise sogar mehr als fünfzig Prozent.
Was würde er ohne mich tun?
Als sie sein Anwesen zum ersten Mal betreten hatte, war sie der Meinung gewesen, dass er ein enorm erfolgreicher Künstler wäre.
Aber dem war nicht so.
Er hatte das Haus geerbt. Seine Werke verkauften sich nur schleppend und erlaubten ihm einen einigermaßen angenehmen Lebensstil.
Bis er Sandy kennen gelernt hatte.
In den darauffolgenden Jahren hatte er ihr nicht mehr als fünfzig Dollar pro Sitzung bezahlt, die sie auch mit Freuden angenommen und sofort für Lebensmittel, Vorräte und Mitbringsel für Eric ausgegeben hatte. Dann war sie wieder in den Lieferwagen gestiegen und nach Hause gefahren.
Am Ende ihres ersten Jahres in der Hütte hatte Eric angefangen, mehr und mehr Zeit mit Streifzügen durch die bewaldeten Hügel zu verbringen. Wenn Sandy aus der Stadt zurückkehrte, war er des Öfteren nirgends zu finden. Langsam fragte sie sich, weshalb sie sich mit der Rückfahrt überhaupt so beeilte.
Eines Tages blieb sie etwas länger, machte einen Schaufensterbummel und durchstöberte die Läden, die sie bisher nur von außen gesehen hatte.
Wie die Beachside Gallery.
Als sie die Kunstgalerie betrat, hatte sie sich sofort fehl am Platze gefühlt. Es war so ruhig. War sie die einzige Kundin? Leise ging sie an den Bildern vorbei und wagte kaum zu atmen. Sie erwartete, dass man sie hinauswerfen würde, sobald man sie entdeckte.
Obwohl sie eigentlich schick angezogen war. Blaze hatte sie an diesem Tag mit einem weißen Tennisrock und dazu passendem Strickpullover ausstaffiert und auf einem Sportplatz hinter der High-school Modell stehen lassen. Die Sachen hatte sie anbehalten und sah damit wie die Tochter schwerreicher Eltern aus.
Wenn die mir blöd kommen, drohe ich ihnen mit den Beziehungen meiner Familie.
Du musst nur so tun, als würde dir der Laden gehören, dachte sie.
Sie holte tief Luft und ging weiter. In Ruhe betrachtete sie jedes Bild.
Viele stellten die Brandung dar, die sich an den Felsklippen brach - im Tageslicht, bei Sonnenuntergang, im Mondenschein. Neben diesen prächtigen
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