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Der Keller

Der Keller

Titel: Der Keller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Dersch
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ist, zu der sich der Mensch herablassen kann.
    In der Bibel steht geschrieben, dass die Sünden der Väter auf die Söhne übergehen - bis zum siebten Geschlecht, Mr. Bonfield. Ich habe mich oft gefragt, ob es im Falle von Roberts umgekehrt gewesen ist und ob die Sünden seines Sohnes in einem kosmischen Durcheinander vielleicht auf vom Sohn auf den Vater übergegangen waren. Doch wissen Sie, ich bin im Laufe der Jahre zu der Erkenntnis gekommen, dass jedes Geschlecht, das sich gegen Gott versündigt, vom ihm vom Angesicht dieser Erde getilgt wird. Erbarmungslos und unnachgiebig. So wie er Sodom vom Angesicht der Erde getilgt hatte, so hat er auch die Roberts heimgesucht – da bin ich mir sicher. Seine Wege mögen vielleicht unergründlich sein, aber sie führen immer zum Ziel.
    Ich weiß nicht, wie Roberts es bewerkstelligt hat. Vielleicht hat er Walters Suppe vergiftet oder ihm im Schlaf eins mit einem Holzscheit über den Schädel gezogen. Jedenfalls muss er seinen Sohn auf der Stelle für tot gehalten haben. Oh, in diesem Moment muss er den Herrn dafür verflucht haben, was er ihm angetan hat und vielleicht war das der Grund dafür, dass es ihm nicht gelang, sein Leid zu beenden. Doch nachdem sich dieser Groll gelegt hatte und er nicht mehr nur noch rot sah, wie ein aufgebrachter Stier, musste ihm der Gedanke gekommen sein, Walters Leiche verschwinden zu lassen. Sein ganzes Anwesen war riesig und ich bin mir sicher, dass er problemlos eine Höhle oder einen Teich gefunden hätte, um seinen Jungen für immer darin verschwinden zu lassen. Doch das Problem war wahrscheinlich, dass Roberts zu dieser Zeit kaum mehr war, als ein alter Sack voll Knochen, während Walter gut und gerne 280 Pfund wog. Er konnte ihn unmöglich raus in den Wald schaffen, um ihn dort zu verscharren. Deshalb blieb ihm nichts anderes übrig als ihn im Keller zu begraben. Vielleicht war genau das, was er anfangs auch vorhatte. Er schleifte ihn runter in den Keller und legte Walters Leiche in eine der vier Ecken des dunklen Raumes. Dann ging er zum Schuppen hinter dem Haus, holte nach und nach Ziegel und Mörtel und mauerte ihn ein. Stein um Stein musste er dagesessen und dabei zugesehen haben, wie Walters hässliche Fratze ein für allemal hinter der Wand verschwand, die er aufzog. Es muss Stunden gedauert haben und ich glaube, dass Roberts zu diesem Zeitpunkt kaum noch bei Verstand war. Er war wie ein Ruderer, der sich mit seinem Boot zu nah an einen riesigen Wasserfall gewagt hatte und nun gegen das Unvermeidliche anruderte. Der dunkle Sog hatte seinen Verstand unterspült, wie einen morschen Holzsteg und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis auch er mit Haut und Haaren darin versinken sollte.
    Doch ganz egal wie lange es gedauert hatte Walter einzumauern, es hatte nicht genützt. Vielleicht war es noch in der ersten Nacht, vielleicht aber auch erst eine Woche später – aber irgendwann musste Roberts herausgefunden haben, dass Walter nicht tot war. Er lebte noch, hinter der Wand aus Ziegelsteinen, zwischen denen der vielleicht Mörtel noch nicht einmal ganz getrocknet war. Ich bin mir sicher, dass Roberts zu diesem Zeitpunkt vollkommen verrückt wurde. Sein Verstand flog aus und das ohne Wiederkehr. Es musste so gewesen sein, wie bei einem Vogelkäfig voller Wellensittiche, nachdem jemand vergessen hatte, die kleine Türe zu schließen. Auf und davon, für immer. Roberts musste tagelang am Absatz der Kellertreppe gestanden und darauf gewartet haben, dass die Geräusche hinter der Wand leiser wurden und schließlich erstarben. Doch ich denke, dass genau das Gegenteil der Fall war. Walter war nicht nur nicht tot – er wurde mit jedem Tag stärker und kam wieder zu Kräften. Wovon er sich dort drin auch immer ernährt hatte es musste ausgereicht haben, um ihn genesen zu lassen. Und Roberts, der inzwischen vor Angst schon längst verrückt geworden war, lebte jahrelang damit. Tagein, tagaus mit diesem --- diesem DING hinter dieser Wand. Stellen Sie sich vor, Mr. Bonfield, er lebte mit all diesen den nächtlichen Geräuschen aus dem Keller – Schreie, Lachen, Kratzen, Würgen, Winseln – vielleicht hatte Walter sogar seinen Namen gerufen, ihn angefleht ihn zu befreien. Manchmal habe ich mich gefragt, wie viel Wahnsinn der menschliche Verstand wohl in der Lage ist zu ertragen und ich denke, dass Roberts in diesem Jahren einen guten Maßstab für all die Wahnsinnigen dieser Welt abgegeben hätte.
    Es war im Sommer 1953, da musste Roberts

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