Der Ketzerlehrling
auf Ehrenwort entlassenen Gefangenen hereinführte, der auf einem Pony der Abtei saß. Der Reiter war verschmutzt und von Rauch geschwärzt; seine Hände und das Haar an seinen Schläfen waren vom Feuer angesengt, eine Tatsache, die ihm bisher noch gar nicht bewußt geworden war; um so mehr jedoch empörte diese Prozession den Chorherrn Gerbert. Und daß Bruder Cadfael dieses unziemliche Spektakel gelassen hinnahm, machte die Sache nur noch schlimmer. Er half Elave beim Absteigen und klopfte ihm ermutigend den Rücken. Dann ging er davon, um das Pony in den Stall zu bringen, und überließ es dem Gefangenen, aus freien Stücken in seine Zelle zurückzukehren, was er sogar gern tat – es war, als käme er nach Hause. Das war nicht die rechte Art, mit einem angeklagten Ketzer zu verfahren. Alles was hier in der Abtei von Saint Peter und Saint Paul vorging, weckte den Zorn des Chorherrn Gerbert.
»Nun ja«, sagte der Bischof unerschüttert, sogar wohlwollend. »Was immer der junge Mann sein mag, zu seinem Wort steht er.«
»Ich verstehe nicht«, sagte Gerbert kalt, »wie Euer Lordschaft überhaupt ein derartiges Risiko eingehen konnten.
Wenn Ihr ihn verloren hättet, dann wäre das ein schwerer Verstoß und ein beträchtlicher Schaden für die Kirche gewesen.«
»Wenn ich ihn verloren hätte«, sagte der Bischof ungerührt, »dann hätte er noch mehr verloren. Aber er ist zurückgekommen, wie er gegangen ist, unversehrt!«
15. Kapitel
Tags darauf hatte Bruder Cadfael schon früh am Morgen um Audienz beim Abt gebeten, um ihm über alles Bericht zu erstatten, was geschehen war. Beim Hinausgehen begegnete er Hugh. Dessen Unterredung mit dem Abt dauerte länger. Es gab viel zu erzählen und noch immer viel zu tun, denn seit Jevan von Lythwood wie eine brennende Fackel mit loderndem Haar in den Severn gesprungen war, hatte man noch keine Spur von ihm entdeckt, weder tot noch lebendig. Auch dem Abt stand ein gewichtiger Tag bevor. Roger de Clinton haßte Zeitverschwendung, und da er in Coventry gebraucht wurde, hatte er vor, beim morgendlichen Kapitel der Sache so oder so ein Ende zu machen und dann sofort in seine unruhige und gefährdete Stadt zurückzukehren.
»Ach ja, und dem Chorherrn Gerbert habe ich die neuesten Nachrichten von Owains Grenze überbracht«, sagte Hugh, während er sich bereits erhob. »Earl Ranulf hat sich fürs erste mit ihm geeinigt. Owain ist geneigt, eine Zeitlang Ruhe zu geben. Der Earl wird heute abend wieder in Chester sein, und der Chorherr wird sich zweifellos freuen, daß er seine Reise fortsetzen kann.«
»Zweifellos«, sagte der Abt. Er lächelte nicht, aber selbst bei diesem knappen Wort war der Ton der Befriedigung in seiner Stimme nicht zu überhören.
Elave erschien zu seiner Verhandlung rasiert, frisch gewaschen, von allen Rußspuren befreit und, dank Bruder Denis, in einem sauberen Hemd und einem anständigen Rock anstelle seiner versengten und unansehnlich gewordenen Kleidung. Es war fast, als hätte die Gemeinschaft sich während der paar Tage, die er in ihr verbracht hatte, so an ihn gewöhnt und den Gedanken, er könnte irgendwie gefährlich sein, so vollständig abgetan, daß allen Brüdern daran gelegen war, daß er möglichst gut aussah und den bestmöglichen Eindruck machte. Es war eine Art wohlwollender Verschwörung.
»Ich habe mich unterrichten lassen«, sagte der Bischof, nachdem er die Versammlung eröffnet hatte, »über das allgemein menschliche Verhalten dieses jungen Mannes, und zwar von Leuten, die ihn gut kennen und mit ihm Umgang hatten. Außerdem habe ich ihn in dieser kurzen Zeit mit eigenen Augen beobachtet. Und kein Anwesender sollte auf den Gedanken kommen, daß Redlichkeit im tagtäglichen Verhalten eines Mannes mit einer Anklage wegen Ketzerei nichts zu tun hat. Dafür finden wir einen Beleg in der Heiligen Schrift: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Ein guter Baum kann keine schlechten Früchte hervorbringen, und ein schlechter Baum keine guten. Nach allem, was mir berichtet wurde, habe ich den Eindruck, daß die Früchte dieses Mannes den Vergleich mit allem aushalten können, was die meisten von uns vorzuweisen haben. Ich habe gehört, daß man keine von ihnen als faul bezeichnen könnte. Vergeßt das nicht. Es ist wichtig. Und was die gegen ihn vorgebrachten Anklagen angeht, daß er gewisse Dinge gesagt hat, die den Lehren der Kirche zuwiderlaufen … Ich bitte darum, daß jemand sie vor mir wiederholt.«
Prior Robert hatte sie
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