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Der Ketzerlehrling

Der Ketzerlehrling

Titel: Der Ketzerlehrling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Wahrheit die Ehre zu geben, noch nie erlebt, daß er wirklich zufrieden aussah; aber sein Verhalten an diesem Tag kam ihm geistesabwesender und verdrießlicher vor als gewöhnlich. Er und der Hirte steckten auf verschwörerische Art die Köpfe zusammen, und ihre Augen fixierten den heimgekehrten Pilger auf eine Art, die vermuten ließ, daß er ihnen keineswegs willkommen war, so liebenswürdig sich der Rest des Haushalts ihm gegenüber auch aufführte. Der junge Mann selbst schien in seine eigenen Gedanken versunken zu sein. Gewiß, er folgte dem Gottesdienst; dennoch wanderte sein Blick mehrmals zu der jungen Frau, die züchtig einen Schritt hinter Margaret stand, ganz Aufmerksamkeit und sehr betrübt am Grabe des Mannes, der ihr ein Heim und seinen Namen gegeben hatte. Und eine Mitgift!
    Sie war des Anschauens wert. Möglicherweise war Elave damit beschäftigt, seinen Entschluß, sich nach etwas Besserem umzusehen, als ihm seine frühere Stellung zu bieten hatte, noch einmal zu überdenken. Das magere kleine Ding, einst nur Zähne und Ellenbogen, war zu einer sehr reizvollen Frau herangewachsen. Allerdings einer, die in diesem Augenblick nicht zu erkennen gab, daß sie den jungen Mann als so verwirrend empfand, wie dieser offensichtlich sie. Sie konzentrierte sich voll und ganz auf die Riten der Beisetzung ihres Wohltäters; alles andere interessierte sie nicht.
    Bevor sich die Gesellschaft auflöste, mußten höfliche Worte gewechselt und von den Klerikern Beileidsbezeigungen geäußert werden, die von den Familienangehörigen geziemenden Dank verlangten. Auf dem sonnenbeschienenen Hof bildete die Gesellschaft, für die angemessene Zeit, kleine Gruppen von Gleich zu Gleich. Abt Radulfus und Prior Robert erwiesen, bevor sie sich zurückzogen, Dame Margaret und Jevan von Lythwood ihren Respekt, während Bruder Jerome als Kaplan des Priors es sich angelegen sein ließ, einige Minuten mit den weniger wichtigen Angehörigen des Haushaltes des Verstorbenen zu verbringen. Ein paar Worte mußten zu dem Mädchen gesprochen werden, bevor er sich zu den männlichen Bediensteten begab. Die frommen Platitüden, mit denen er Conan und Aldwin zuerst bedachte, schienen sich bald zu etwas zu entwickeln, das weitaus interessanter war und zugleich wesentlich vertraulicher, denn jetzt steckten nicht zwei, sondern drei Männer die Köpfe zusammen, und nach wie vor wanderte hin und wieder ein Blick aus zusammengekniffenen Augen zu Elave.
    Nun, der junge Mann hatte sich bisher tadellos verhalten und seit der Begegnung mit dem Chorherrn Gerbert seine Zunge im Zaum gehalten. Hier war für Bruder Jerome nicht viel zu holen, auch wenn die geringste Andeutung über unorthodoxes Denken, zumal wenn sie den Ärger eines so bedeutenden Kirchenherrn erregte, ausreichte, Jerome dazu zu veranlassen, ihr nachzuschnüffeln wie ein magerer Hund einer Fährte. Der Chorherr selbst hatte sich nicht herabgelassen, Williams Beisetzung mit seiner Anwesenheit zu beehren, aber er würde zweifellos einen ausführlichen Bericht erhalten – von Prior Robert, der gleichfalls die Gelegenheit zu schätzen wußte, sich bei einem Vertrauten und Abgesandten des Erzbischofs einzuschmeicheln.
    Doch diese kleine Angelegenheit, die für kurze Zeit zu einem gefährlichen Brand aufzuflackern drohte, gehörte jetzt der Vergangenheit an. William hatte bekommen, was er sich gewünscht hatte, Elave hatte getreulich seine Pflicht getan, um es zu erreichen, und Radulfus hatte zugunsten des Bittstellers entschieden. Und wenn die Festlichkeiten des morgigen Tages vorüber waren, würde Gerbert bald wieder unterwegs sein, und ohne seine unbeugsame Strenge, die zweifellos aufrichtig war und vermutlich durch kürzliche Reisen nach Frankreich und Rom bestätigt, würde hier in Shrewsbury Schluß sein mit dem vorsichtigen Abwägen und Sondieren jedes Wortes, das ein Mann von sich gab.
    Cadfael sah zu, wie der Haushalt Williams von Lythwood seine Trauergäste versammelte und vom Torhaus aus stadtwärts davonzog, und begab sich zum Essen ins Refektorium mit dem unbekümmerten Geist eines Mannes, der überzeugt ist, miterlebt zu haben, wie eine wichtige Angelegenheit zufriedenstellend erledigt wurde.
    Bei Williams Leichenschmaus herrschte kein Mangel an Ale, Wein und Met, und er verlief, wie die meisten Feiern dieser Art, in einer Atmosphäre, die von würdevollem Ernst und frommem Gedenken bis zu sentimentalen und immer stärker ausgeschmückten Erinnerungen reichte – Erinnerungen, bei

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