Der Ketzerlehrling
denen gedämpfte Stimmen immer lauter werden und Geschichten ebenso der Phantasie entspringen wie dem Gedächtnis. Und da Elave sieben Jahre lang Williams Begleiter gewesen war, während seine früheren Nachbarn ihn aus dem Auge und oft auch aus dem Sinn verloren hatten, wurde der junge Mann mit dem besten Ale im Hause traktiert, zum Lohn für die Geschichten, die er von der langen Reise zu erzählen hatte, von den Wunderwerken, die sie unterwegs gesehen hatten, und von Williams würdigem Abschied von der Welt.
Wenn er nicht erheblich mehr getrunken hätte, als er gewohnt war, dann hätte er vielleicht auf mehr oder minder verblümte Fragen keine direkten und offenen Antworten gegeben. Andererseits hatte er keinerlei Grund zu der Annahme, daß er in dieser Gesellschaft vorsichtig sein und sich vor allzu offenen Antworten hüten mußte.
Es ging erst los, als die Gäste aufbrachen oder bereits gegangen waren; Jevan war auf die Straße getreten, um sich gemächlich und freundschaftlich von den letzten zu verabschieden, wobei er sich viel Zeit ließ. Margaret war mit Fortunata in der Küche, verstaute die Überreste des Festmahls und überwachte das Spülen der Töpfe, in denen es zubereitet worden war. Elave blieb an dem Tisch in der Diele mit Conan und Aldwin zurück, und als der größte Teil der Arbeit in der Küche getan war, setzte Fortunata sich zu ihnen.
Sie unterhielten sich über das Fest der heiligen Winifred, das am nächsten Tag stattfinden sollte. Es war nur angemessen, daß man eine Beerdigung mit Anstand hinter sich brachte und dann abtat, damit am nächsten Tag alles festlich und glückverheißend war wie der wolkenlose Himmel, auf den alle hofften. Vom Wirken der Heiligenreliquien und der Glaubwürdigkeit ihrer Wunder war es kein großer Schritt bis zur Sache mit William. Noch war es schließlich Williams Tag und deshalb nur recht und billig, daß man sich seiner bis in die Nacht hinein erinnerte.
»Nach dem, was einer der Brüder da unten sagte«, erklärte Aldwin ernsthaft, »war es keineswegs sicher, ob er überhaupt aufgenommen werden würde. Irgendwer hat diese alte Meinungsverschiedenheit wieder ausgegraben, die er mit dem Missionar hatte, um ihm die Grabstelle streitig zu machen.«
»Es ist eine schwerwiegende Sache, wenn man anderer Meinung ist als die Kirche«, pflichtete Conan ihm kopfschüttelnd bei. »Aber es steht uns nicht zu, etwas besser zu wissen als die Priester – nicht, wenn es um den Glauben geht. Zuhören und Amen sagen, das ist meine Devise. Hat sich William jemals mit dir über solche Dinge unterhalten, Elave? Du bist viele Jahre mit ihm gereist. Hat er versucht, dich auch in diesen Dingen zu seinem Begleiter zu machen?«
»Er hat aus seinem Denken nie ein Geheimnis gemacht«, sagte Elave. »Er brachte seinen Standpunkt vor, und zwar mit guten Argumenten, selbst Priestern gegenüber; aber unter ihnen war keiner, der meinem Herrn verübelt hätte, daß er über solche Dinge nachdachte. Wozu hat man einen Verstand, wenn nicht, um ihn zu benutzen?«
»Das ist Anmaßung«, sagte Aldwin. »Jedenfalls bei einfachen Leuten wie uns, die nicht die Gelehrsamkeit von Kirchenleuten besitzen. Wie der König und der Sheriff in ihrem Bereich Macht über uns haben, so haben die Priester Macht in ihrem. Es steht uns nicht zu, uns in Dinge einzumischen, die uns nichts angehen. Conan hat recht – Zuhören und Amen sagen.«
»Wie kann man Amen sagen, wenn es darum geht, ein neugeborenes Kind zur Hölle zu verdammen, nur weil das kleine Ding gestorben ist, bevor es getauft werden konnte?« fragte Elave. »Das war eine von den Fragen, die er sich immer wieder stellte. Er pflegte zu sagen, daß nicht einmal die schlechtesten Männer es fertigbrächten, ein Kind ins Feuer zu werfen; wie könnte der gütige Gott es dann tun? Es wäre gegen seine Natur.«
»Und du«, sagte Aldwin, Neugier und Anteilnahme heuchelnd, »bist du der gleichen Meinung? Würdest du das auch sagen?«
»Ja, das sage ich auch. Ich kann den Grund, den sie uns dafür nennen, daß nämlich Kinder schon von Sünde beladen geboren werden, einfach nicht gelten lassen. Wie könnte das sein? Ein Geschöpf, neugeboren und hilflos, kaum auf diese Welt gekommen, wie kann das etwas Böses getan haben?«
»Es heißt aber«, warf Conan vorsichtig ein, »daß selbst die noch Ungeborenen durch die Sünde Adams verderbt und mit ihm gestürzt sind.«
»Und ich sage, daß es nur die eigenen Taten sind, gute wie böse, für die sich ein
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