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Der Ketzerlehrling

Der Ketzerlehrling

Titel: Der Ketzerlehrling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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früh genug hoch, um vor der Messe noch unsere Arbeit zu tun. Erst der Leichenschmaus, dann die Hochzeit, wie man so sagt. Hoffentlich hält sich das Wetter.«
    Und er stand auf, schob sein Ende der Bank zurück und streckte seine massigen Glieder.
    »Das tut es bestimmt«, sagte Aldwin zuversichtlich, nachdem er sich mit einem tiefen Atemzug von der lastenden Stille befreit hatte. »Die Heilige hat auch über ihrer Prozession, als sie von Saint Giles hierher überführt wurde, die Sonne scheinen lassen, während es ringsum regnete. Sie wird uns auch morgen nicht im Stich lassen.« Und auch er erhob sich mit allen Anzeichen der Erleichterung. Ganz offensichtlich war der gesellige Abend vorüber, und zumindest zwei waren froh darüber.
    Elave blieb still sitzen, bis sie gegangen waren, nachdem sie laut und allzu liebenswürdig gute Nacht gesagt hatten. Im Haus war es ruhig geworden. Margaret saß in der Küche und ging noch einmal die Ereignisse des Tages durch. Fortunata hatte sich weder geregt noch gesprochen. Elave wendete sich ihr zu, etwas beunruhigt von ihrem Schweigen und ihrer ernsten Miene. Schweigsamkeit und feierlicher Ernst schienen ihrem Wesen fremd zu sein, und vielleicht waren sie es auch, aber wenn sie einmal von ihr Besitz ergriffen, dann taten sie es voll und ganz und auf beeindruckende Weise.
    »Du bist so still«, sagte Elave unsicher. »Habe ich dich mit irgend etwas, was ich sagte, vor den Kopf gestoßen? Ich weiß, ich habe zu viel geredet und zu anmaßend.«
    »Nein«, sagte sie, und ihre Stimme war leise und gemessen, »nichts hat mich vor den Kopf gestoßen. Ich habe nur noch nie über solche Dinge nachgedacht. Als ihr abgereist seid, war ich noch zu jung, als daß Master William je mit mir geredet hätte.
    Er war sehr gut zu mir, und ich freue mich, daß du so tapfer für ihn eingetreten bist. Wenn ich an deiner Stelle gewesen wäre, hätte ich es auch getan.«
    Mehr hatte sie im Augenblick nicht zu sagen. Was immer sie über derartige Dinge denken mochte – sie war noch nicht bereit, darüber zu sprechen. Und morgen würde sie vielleicht gar nicht mehr über Dinge nachdenken, mit denen selbst die Philosophen und Theologen ihre Schwierigkeiten hatten. Sie würde mit Margaret und Jevan beim Fest der heiligen Winifred erscheinen, die Musik und die Aufregung und den Gottesdienst fraglos genießen, einfach zuhören und Amen sagen.
    Sie begleitete ihn über den Hof und durch die Pforte auf die Straße und reichte ihm zum Abschied die Hand, noch immer still und in sich gekehrt.
    »Sehe ich dich morgen in der Kirche?« fragte Elave, der nun doch befürchtete, sie vor den Kopf gestoßen zu haben. Sie bedachte ihn mit einem so nachdenklichen Blick ihrer grünlichbraunen Augen, daß er nicht einmal vermuten konnte, was in ihrem Kopf vor sich ging.
    »Ja«, sagte Fortunata schlicht, »ich werde da sein.« Und sie lächelte, kurz und geistesabwesend, entzog ihm sanft ihre Hand und wendete sich ab, um ins Haus zurückzukehren, während er sich auf den Weg durch die Stadt und über die Brücke machte, noch immer besorgt, ob er nicht doch entschieden zu viel und zu hitzig geredet und sich damit in ihren Augen geschadet hätte.
    Die Sonne schien, wie es sich gehörte, an ihrem Festtag für die heilige Winifred, wie sie es auch an dem Tag getan hatte, an dem sie in die Abtei von Saint Peter und Saint Paul überführt worden war. Die Gärten standen in voller Blüte, die von Bruder Denis bewirteten Pilger legten ihre besten Gewänder an, die Bürger von Shrewsbury strömten aus der Stadt herbei, die Pfarrkinder von Holy Cross kamen aus der Vorstadt und aus den umliegenden Dörfern, die zur großen Gemeinde von Vater Boniface gehörten. Der neue Priester war erst kürzlich nach einer langen Vakanz in sein Amt berufen worden, und seine Herde war immer noch damit beschäftigt, sich nach dem, was sie mit Vater Ailnoth erlebt hatte, ein Urteil über ihn zu bilden.
    Doch die ersten Reaktionen waren zu seinen Gunsten ausgefallen. Cynric, der Küster, fungierte als eine Art Prüfstein für die Meinung der Vorstadt. Seine Ansichten, nur selten in Worten ausgedrückt, aber auch von schlichten Gemütern mühelos zu begreifen, wurden von den meisten der Leute, die zur Gemeinde von Holy Cross gehörten, fraglos geteilt, und die Kinder, die trotz seiner Schweigsamkeit Cynrics beste Freunde waren, hatten bereits jetzt begriffen, daß ihr langer, knochiger, wenig redseliger Freund Vater Boniface mochte und mit ihm zufrieden

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