Der Ketzerlehrling
gleichen Haushalt und waren zugegen, als diese Dinge ausgesprochen wurden. Das Mädchen Fortunata ist die Ziehtochter des Girard von Lythwood, und Conan ist sein erster Hirte.«
»Sie befinden sich beide nach wie vor innerhalb der Enklave«, meldete sich Jerome mit eifriger Beflissenheit zu Wort. »Sie haben die Messe besucht und halten sich noch in der Kirche auf.«
»Die Sache sollte sofort verhandelt werden«, drängte Chorherr Gerbert unnachgiebig. »Eine Verzögerung führt nur dazu, daß die Erinnerung der Zeugen verblaßt und der Übeltäter Gelegenheit bekommt, seine eigenen Interessen zu bedenken oder vor der Verhandlung zu flüchten. Ihr seid es, der hier die Anweisungen zu geben habt, Vater Abt, aber ich würde Euch empfehlen, sofort und entschieden zu handeln, solange sich all diese Leute innerhalb Eurer Mauern befinden. Entlaßt Eure Novizen und laßt die Zeugen und den Angeklagten holen.
Außerdem würde ich den Pförtner anweisen, darauf zu achten, daß der Angeklagte die Enklave nicht verläßt.«
Chorherr Gerbert war es gewohnt, daß man seinen Vorschlägen sofort nachkam, von seinen Befehlen ganz zu schweigen, so verblümt sie auch ausgesprochen wurden; doch in seinem eigenen Haus handelte Abt Radulfus so, wie er es für richtig hielt.
»Ich möchte das Kapitel darauf hinweisen«, sagte er knapp, »daß wir als Angehörige unseres Ordens zweifellos die Pflicht haben, dem Glauben zu dienen und ihn zu verteidigen. Aber jedermann hat seinen Gemeindepriester, und jeder Gemeindepriester hat seinen Bischof. Bei uns weilt ein Abgesandter von Bischof de Clinton, in dessen Diözese von Lichfield und Coventry wir uns befinden und in deren Bereich sich auch der Angeklagte, der Ankläger und die Zeugen aufhalten.« Serlo war in der Tat anwesend, hatte aber bisher kein Wort von sich gegeben. In Gerberts Gegenwart war er immer stumm und ehrfürchtig. »Ich bin sicher«, fuhr Radulfus mit Nachdruck fort, »daß er, wie ich, der Ansicht sein wird, daß wir berechtigt sind, eine erste Untersuchung der Anklage vorzunehmen. Mehr jedoch können wir nicht unternehmen, ohne den Fall dem Bischof vorzutragen, in dessen Zuständigkeit er gehört. Wenn sich bei näherer Betrachtung erweist, daß die Anklage unbegründet ist, dann ist die Sache damit erledigt. Wenn wir der Ansicht sind, daß weiteres Vorgehen erforderlich ist, dann muß die Angelegenheit dem Bischof übertragen werden, der das Recht hat, sie vor jedem Tribunal verhandeln zu lassen, das zu berufen er für richtig hält.«
»So ist es«, sagte Serlo tapfer, auf diese Weise ermutigt, sich da anzuschließen, wo voranzugehen er sich gescheut hatte.
»Mein Bischof würde gewiß wünschen, in einem derartigen Fall seines Amtes zu walten.«
Ein salomonisches Urteil, dachte Cadfael, vollauf zufrieden mit seinem Abt. Roger de Clinton wird es ebensowenig gefallen, daß sich ein anderer Kleriker in seiner Diözese Amtsgewalt anmaßt, wie es Radulfus gefällt, daß irgend jemand, und sei es der Erzbischof selbst, geschweige denn sein Abgesandter, versucht, ihm die Zügel aus der Hand zu reißen. Und Elave dürfte allen Grund haben, froh zu sein, wenn das alles vorüber ist. Wie konnte er nur so unvorsichtig sein, und noch dazu vor Zeugen, nachdem er gerade mit einem blauen Auge davongekommen war?
»Ich möchte um nichts in der Welt in den Amtsbereich von Bischof de Clinton eindringen«, sagte Gerbert hastig, um seinen guten Ruf besorgt, aber offensichtlich keineswegs erfreut. »Gewiß muß er informiert werden, wenn sich herausstellen sollte, daß der Vorwurf begründet ist. Aber uns obliegt es, die Tatsachen zu klären, solange die Erinnerungen noch frisch sind, und festzuhalten, was wir herausfinden. Wir sollten keine Zeit verlieren, Vater Abt. Ich meine, wir sollten die Leute sofort anhören, auf der Stelle.«
»Der Meinung bin ich auch«, sagte der Abt trocken. »Falls sich herausstellen sollte, daß die Anklage bösartig oder belanglos oder falsch ist oder einfach auf einem Irrtum beruht, dann brauchen wir nichts weiter zu tun und können dem Bischof Kummer und Ärger ersparen – ganz abgesehen von der verschwendeten Zeit. Ich denke, wir sind durchaus imstande, den Unterschied herauszufinden zwischen harmlosen Gedankenspielen und tatsächlicher Verderbtheit.«
Cadfael hatte den Eindruck, daß dies die Einstellung des Abtes zu dieser ganzen unseligen Angelegenheit recht deutlich zum Ausdruck brachte. Und obwohl Chorherr Gerbert schon den Mund geöffnet
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