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Der Ketzerlehrling

Der Ketzerlehrling

Titel: Der Ketzerlehrling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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hatte, um zu erklären, daß solche Gedankenspiele, von Laien geübt, in jedem Fall schädlich seien, überlegte er es sich anders und biß abermals ingrimmig die Zähne zusammen; die Bedenken, die er über den Charakter und die Eignung des Abtes für sein Amt hegte, waren ihm deutlich anzumerken. Bei Männern im geistlichen Gewand kommt es ebenso oft vor wie bei gewöhnlichen Leuten, daß sie einander nicht ausstehen können, und diese beiden waren so weit voneinander entfernt wie Osten von Westen.
    »Also gut«, sagte Radulfus und ließ einen langen, befehlenden Blick über die Versammlung schweifen, »fahren wir fort. Dieses Kapitel wird unterbrochen und zu gegebener Zeit fortgesetzt. Bruder Richard und Bruder Anselm, Ihr sorgt dafür, daß unsere jungen Brüder nützlichen Beschäftigungen nachgehen; dann sucht Ihr die drei benannten Personen. Die junge Frau Fortunata, den Hirten Conan und den Angeklagten.
    Bringt sie her und laßt nichts über den Grund verlauten, bevor sie vor uns stehen. Wenn ich recht verstanden habe«, wendete er sich an Jerome, »wartet der Ankläger bereits vor der Tür.«
    Jerome hatte sich die ganze Zeit im Schatten des Priors aufgehalten; er zweifelte nicht an der Rechtmäßigkeit seines Tuns, wohl aber daran, was der Abt davon hielt. Dies war die erste Ermutigung, die ihm zuteil wurde; zumindest verstand er es so, und sein Gesicht hellte sich sichtbar auf. »So ist es, Vater. Soll ich ihn hereinbringen?«
    »Nein«, sagte der Abt, »nicht, bevor der Angeklagte hier ist und ihm gegenübertreten kann. Er soll das, was er zu sagen hat, im Angesicht des Mannes vorbringen, den er anzeigt.«
    Elave und Fortunata betraten den Kapitelsaal gemeinsam, mit offenen Gesichtern, verblüfft und neugierig, weshalb sie herbeordert worden waren, aber ganz offensichtlich ohne böse Vorahnungen. Was immer am Vorabend unklug gesprochen worden war, welche Aussagen man von ihr auch erwarten mochte – für Cadfael stand eindeutig fest, daß die junge Frau keinerlei Vorbehalte gegen ihren Begleiter hatte; die Tatsache, daß sie zusammen eintraten und offensichtlich beieinander gewesen waren, als die Vorladung überbracht wurde, sprach für sich. Ihre erwartungsvollen Gesichter spiegelten Verwunderung, aber kein Gefühl der Bedrohung; Aldwins Anklage würde nicht nur für den jungen Mann, sondern auch für das Mädchen ein niederschmetternder Schlag sein. Gerbert würde bestimmt eine widerstrebende, wenn nicht sogar eine feindselige Zeugin haben, dachte Cadfael, der sich der parteiischen Anteilnahme seines Herzens durchaus bewußt war. Auch hatte er gespürt, daß Abt Radulfus die Bedeutung ihres gemeinsamen Eintretens und der verwunderte Blick, den sie tauschten, bevor sie der Versammlung von Prälaten und Klosterbrüdern ihre Reverenz erwiesen und darauf warteten, aufgeklärt zu werden, ebensowenig entgangen war wie ihm.
    »Ihr habt nach uns geschickt, Ehrwürdiger Abt«, sagte Elave, da niemand das Schweigen brach. »Hier sind wir.«
    Das »Wir« besagt alles, dachte Cadfael. Wenn sie gestern abend noch irgendwelche Zweifel hegte, die ihn betrafen, so hat sie sie heute morgen vergessen oder sie noch einmal überdacht und verworfen. Und auch dies ist ein gültiges Zeugnis, zu welcher Aussage sie später auch gezwungen sein mag.
    »Ich habe nach Euch geschickt, Elave«, sagte der Abt bedächtig, »damit Ihr uns bei einer Sache helft, die heute morgen aufgekommen ist. Wartet einen Moment, da ist noch jemand, der vorgeladen wurde.«
    In diesem Augenblick kam er herein, bedächtig und ein wenig eingeschüchtert von dem Tribunal, aber – so empfand es Cadfael – keineswegs im unklaren über das, was von ihm verlangt wurde. Auf Conans wettergegerbtem, wachsamem, hübschem und rosigem Gesicht lag keine großäugige Verblüffung, und es fiel auf, daß er die Augen respektvoll auf den Abt gerichtet hielt und Elave keinen einzigen Seitenblick gönnte. Er wußte, was im Busch war, er war darauf vorbereitet.
    Er hütete sich, Eifer an den Tag zu legen, aber er ließ auch kein Widerstreben erkennen.
    »Mylord, mir wurde gesagt, Conan würde hier gewünscht. So heiße ich.«
    »Können wir nun endlich anfangen?« fragte Chorherr Gerbert ungeduldig und bewegte sich gereizt auf seinem Stuhl.
    »Ja«, sagte Radulfus. »Jerome, holt den Mann Aldwin herein.
    Und ihr, Elave, tretet vor in die Mitte. Dieser Mann hat etwas vorzubringen, das nur in Eurer Gegenwart gesagt werden sollte.«
    Schon bei der Nennung des Namens waren

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