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Der Ketzerlehrling

Der Ketzerlehrling

Titel: Der Ketzerlehrling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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gelassen. »Sicher hat er auf dem Weg zu seinen Schafen Leute getroffen, die ihn kennen, er braucht sie nur zu benennen, sie brauchen nur zu sagen, wann und wo sie ihn gesehen haben. Ihm kann nichts passieren, wenn er jetzt die ganze Wahrheit erzählt und nicht nur die halbe.«
    Und damit blieb nur Elave. Derjenige, dem man Übles angetan hatte, der den überzeugendsten Grund hatte, wütend zu sein, der sich plötzlich seinem Ankläger gegenübersah, zwischen Bäumen, ohne Zeugen, zu erbost, um abzuwarten, was sein Feind ihm zu sagen gedachte. Das war es, was fast jedermann in Shrewsbury sagen würde, ohne jeden Zweifel.
    Eine Anklage wegen Ketzerei, eine weitere wegen Mordes. Den ganzen Nachmittag, bis zur Vesper, hatte er sich in Freiheit befunden, und wer hatte Aldwin noch lebend gesehen, nachdem er an dem Posten am Stadttor vorbeigegangen war?
    Zweieinhalb Stunden zwischen diesem Zeitpunkt und der Vesper, als Elave wieder in Gewahrsam genommen wurde, zweieinhalb Stunden, in denen er ohne weiteres einen Mord hätte begehen können. Selbst der Einwand, daß Aldwin durch einen Stich in den Rücken getötet worden war, ließ sich leicht entkräften. Er kam angerannt, um zu sagen, daß er seine Tat bereute. Elave trat ihm mit einem so wütenden Gesicht und so bedrohlichen Gebärden gegenüber, daß er es mit der Angst zu tun bekam und kehrtmachte, um zu flüchten, und in diesem Augenblick traf ihn das Messer in den Rücken. Ja, so würden alle es darstellen. Und wenn eingewandt wurde, daß Elave gar kein Messer bei sich hatte, daß es in seinem Bündel im Gästehaus lag? Dann hatte er eben ein zweites, das jetzt fraglos auf dem Grunde des Flusses lag. Es gab auf alles eine Antwort.
    »Vater«, sagte Fortunata unvermittelt und stand von ihrem Platz auf, »kannst du jetzt meine Schatulle öffnen? Wir wollen sehen, was ich wert bin. Und dann muß ich mit dir reden. Über Elave!«
    Margaret holte die Schatulle aus dem Eckschrank und räumte ein Tischende frei, damit sie sie vor ihrem Mann hinstellen konnte. Girards buschige Brauen hoben sich bewundernd, als er sie erblickte. Er nahm sie in die Hände und betrachtete sie eingehend.
    »Das ist wirklich ein herrliches Stück Arbeit. Die Schatulle allein könnte dir ein paar Extragroschen einbringen, falls du sie je brauchen solltest.« Er griff den vergoldeten Schlüssel und steckte ihn in das Schloß. Er drehte sich leicht und lautlos, und Girard öffnete den Deckel. Eine dicke, saubere Filzauskleidung kam zum Vorschein, so zusammengefaltet, daß man sie nur auseinanderzuklappen brauchte, um zu sehen, was die Schatulle enthielt. Drinnen lagen sechs kleine Beutel aus ähnlichem Filz. Alle gleich groß, so nebeneinander gepackt, daß sie den Innenraum ausfüllten.
    »Nun, sie gehören dir«, sagte Girard und lächelte Fortunata an, die sich so über ihn beugte, daß ihr Gesicht im Schatten lag. »Mach einen auf!«
    Sie zog einen der Beutel heraus, und unter ihren Fingern ertönte das leise Klirren von Silber. Es gab keine Zugschnur, das obere Ende des Beutels war nur zusammengefaltet. Sie schüttete den Inhalt auf den Tisch, eine Flut von Silberpennies, mehr, als sie je auf einen Haufen gesehen hatte – und dennoch seltsam enttäuschend. Die Schatulle war so wunderschön und ungewöhnlich, ein wahres Kunstwerk, und der Inhalt, so wertvoll er auch sein mochte, war ganz gewöhnliches Geld.
    Einerlei, es mochte seinen Zweck erfüllen, einen wichtigen Zweck, falls es zum Schlimmsten kommen sollte.
    »Da siehst du es, Mädchen!« sagte Girard erfreut. »Gutes Geld, und alles gehört dir. Das sind schätzungsweise hundert Pence. Und da sind noch fünf weitere Beutel. Onkel William hat gut für dich gesorgt. Sollen wir das Geld für dich zählen?«
    Sie zögerte einen Moment, dann sagte sie: »Ja!« und schob selbst mit einer Hand das Häufchen von dünnen, kleinen Silbermünzen zusammen; dann zählte sie sie, eine nach der anderen, in den Beutel zurück. Es waren dreiundneunzig. Als sie den Beutel wieder verschlossen und in einer Ecke der Schatulle verstaut hatte, hatte Girard bereits die Hälfte vom Inhalt des nächsten gezählt.
    Vater Elias hatte sich ein Stück vom Tisch zurückgezogen und wendete den Blick ab von diesem plötzlich zum Vorschein gekommenen, vergleichsweise großen Vermögen. Ein armer Gemeindepriester sah nur selten zehn Silberpennies auf einem Haufen, geschweige denn hundert. Er sagte mit hohler Stimme:
    »Ich gehe jetzt und erkundige mich in Saint Julian

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