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Der Ketzerlehrling

Der Ketzerlehrling

Titel: Der Ketzerlehrling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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heimgekehrt. Jevan, der den größten Teil des Berichts den Frauen überlassen hatte, gestand seinem Bruder seine Stellung als Halt und Stütze von Haushalt, Geschäft und allem anderen zu, gewissermaßen aus einem entspannten und anerkannten Abstand; er hatte zwischen seinen Pergamentblättern sein eigenes Reich. Er brachte das müde Pferd in den Stall und putzte und fütterte es in aller Ruhe, bevor er ins Haus ging, um sich zu den anderen an den Tisch zu setzen. Conan war inzwischen in die Burg gebracht worden, um dort von Hugh Beringar verhört zu werden.
    Jevan lächelte ein wenig gequält, als er die Pforte zur Straße schloß und in die Diele trat.
    »Es ist schon merkwürdig«, sagte Girard und lehnte sich mit einem befriedigten Aufseufzen zurück. »Da ist ein Mann nur eine einzige Woche im Jahr in Geschäften unterwegs, und schon passiert in dieser Woche alles mögliche. Nur gut, daß Conan mich nicht eingeholt hat, sonst wären mir zwei neue Kunden entgangen. Wenn er mich gefunden hätte, wäre ich natürlich mit ihm zurückgeritten. Die Wolle von vierhundert Schafen habe ich in diesen beiden Dörfern bekommen, einen Teil davon überdies von der Flachlandrasse. Aber es tut mir leid, meine Liebe, daß du das alles allein durchstehen mußtest und ich nicht hier war, um dir einen Teil der Last abzunehmen.
    Jetzt müssen wir sehen, was noch zu tun übrigbleibt. Das Wichtigste, nehme ich an, ist die Sache mit Aldwin. Was immer er in seiner Angst gegen einen anderen Mann getan und gesagt haben mag – hat es je einen Menschen wie Aldwin gegeben, der immer mit dem Schlimmsten rechnete und sich nicht zu fragen getraute, weil er fürchtete, es könnte zutreffen? Nun, was er auch getan hat, er stand in unseren Diensten und wir werden dafür sorgen, daß er anständig begraben wird. Aber Vater Elias hat Bedenken wegen der Beerdigung.«
    Vater Elias, der Gemeindepfarrer von Saint Alkmund, saß mit ihnen am Tisch, von Girards gastfreundlichem Arm mit einer Einladung zum Abendessen aus seinen Gewissenszweifeln über den Toten herausgerissen. Vater Elias, klein, ältlich, grau, von inbrünstiger Frömmigkeit, aß wie ein kleiner Vogel, wenn er überhaupt auf den Gedanken kam, etwas zu essen; gewöhnlich eilte er geschäftig und besorgt zwischen seiner Herde herum wie eine aufgeregte Glucke, die versucht, fremde Küken unter ihre Fittiche zu nehmen. Seelen neigten dazu, sich ihm zu entziehen, und von Fall zu Fall schien jede von ihnen die einzige zu sein, auf die es ankam; er verbrachte einen großen Teil seiner Zeit auf den Knien und bat Gott um Verzeihung für die Seele, die ihm durch die Finger glitt.
    »Der Mann gehörte zu meiner Gemeinde«, sagte der kleine Priester mit einer dünnen Stimme, in der dennoch eine gereizte Entschlossenheit lag, »und ich bedaure sein Hinscheiden und werde für ihn beten. Aber er starb eines gewaltsamen Todes, kurz nachdem er aus Bosheit schwere Anklagen gegen einen anderen Mann vorgebracht hatte. In welchem Zustand befand sich da seine Seele? Er ist seit vielen Wochen nicht mehr zur Messe in meine Kirche gekommen und auch nicht zur Beichte.
    Er hat nie regelmäßig den Gottesdienst besucht, wie es alle Menschen tun sollten. Wegen dieser Nachlässigkeit würde ich ihm die Bestattung nicht verweigern. Aber wann hat er zum letzten Mal gebeichtet und die Absolution erhalten? Wie kann ich ihn aufnehmen, solange ich nicht weiß, ob er bußfertig gestorben ist?«
    »Ein kleiner Akt der Reue würde genügen?« fragte Girard ruhig. »Vielleicht ist er zu einem anderen Priester gegangen.
    Wer weiß? Vielleicht ist er irgendwo anders auf diesen Gedanken gekommen und vielleicht hatte er das Gefühl, es nicht aufschieben zu dürfen.«
    »Innerhalb der Stadtmauern gibt es vier Gemeindebezirke«, sagte Elias mit widerstrebender Duldsamkeit. »Ich werde mich umhören. Allerdings, jemand, der so oft die Messe versäumt …
    Nun, ich werde fragen, hier in der Stadt und außerhalb. Es könnte sogar sein, daß er es nicht wagte, zu mir zu kommen.
    Die Menschen sind schwach und weichen aus, um ihre Schwäche zu verbergen.«
    »So ist es, Vater! Müßte es ihm nicht peinlich sein, zu Euch zu kommen, nachdem er sich so lange bei der Messe nicht blicken ließ? Und hätte er es nicht vielleicht vorgezogen, zu einem anderen Priester zu gehen, der ihn nicht so gut kannte und eher geneigt war, ihm seine Sünden zu vergeben? Hört Euch um, Vater, und Ihr werdet sicherlich jemanden finden, der ihn entlastet. Und

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