Der Killer im Lorbeer
»Allerdings auf keine besonders persönliche Weise. Sie sagte, er habe ihr den Job bei den Toddlers verschafft. Sie sagte einmal, er sei unglücklich verheiratet.«
»Wieso erwähnte sie das?«
»Ich weiß nicht.« Talbot legt die Hände um seine Schultern, als würde er frieren. »Genau genommen haben Gwen und ich nicht oft über ihr altes Leben gesprochen. Wir wollten ein neues beginnen.«
Rosy betrachtet seine ungewöhnlich langen Finger. »Wussten Sie, dass Gwendolyn und Mr Gaunt ein Verhältnis hatten?«
Ein kurzes Zögern. »Nein.«
»Sie hat nie eine Andeutung gemacht?«
»Ich habe mich für diese Dinge, ehrlich gestanden, nicht interessiert. Wir alle leben unser Leben, bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir an eine Lebenskreuzung kommen. Dann treffen wir eine Entscheidung, und vieles ändert sich.«
»Niemand in Gwendolyns Bekanntenkreis wusste von der Lebenskreuzung, an diesie gelangt war. Wie ist das möglich? Wie konnte Ihre Beziehung geheim bleiben?«
»Das hat wahrscheinlich mit meinem Beruf zu tun.«
»Was machen Sie beruflich?«
»Ich bin Musiker.«
»Wirklich? Aber …« Rosy erkennt, wie dumm es wäre, einem Blinden die Fähigkeit abzusprechen, Musiker zu sein. »Was spielen Sie?«
»Geige. Da fällt mir ein …« Unruhig dreht er sich um. »In der Hektik habe ich meine Geige vorhin bei dem Officer gelassen. Ich hätte sie gern in meiner Nähe.«
»Natürlich.« Rosy greift zum Telefon und gibt eine kurze Anweisung. »Erzählen Sie weiter, Sir.«
»Vor drei Wochen habe ich mit dem Gloucestershire Symphony Orchestra gastiert. Wir gaben ein Konzert in der Kathedrale – Mozart, Gryspeerdt, Grieg. Das Stück von Gryspeerdt war schrecklich schwierig. Gwendolyn saß im Publikum.«
»Allein?«
»Ich glaube, ja. Zumindest kam sie hinterher ohne Begleitung zu mir.«
»Aus welchem Grund?«
»Sie war … Sie war durchdrungen . Die Musik von Grieg, ich glaube, sie hatte sein Violinkonzert noch nie zuvor gehört. Sie weinte. Sie hat sich bei mir bedankt.« Er nimmt die Hand vor den Mund und schließt die Augen. »Verzeihen Sie.« Er fasst sich wieder. »So hat es begonnen. Gwen wollte nicht, dass ich sie in Trench besuche oder an der Uni.«
»Weshalb nicht, hat sie das gesagt?«
»Es hatte wohl mit den Motten zu tun, die um Gwendolyn kreisten. Das nächste Mal trafen wir uns in Cirencester.«
»Weshalb dort?«
»Ich hatte Proben für das kommende Konzert. Das Orchester stellte mir eine hübsche Wohnung zur Verfügung. Gwen hat mich besucht. Es war das schönste Wochenende meines Lebens. Ich spielte für sie, sie hat für uns gekocht. Die Liebe war zwischen uns, ohne dass wir sagen konnten, wie sich das Wunder ereignete.«
»Haben Sie miteinander geschlafen?«
»Nein.« Er lächelt. »Ich wollte zuerst nicht.«
»Weshalb?«
»Ist das nicht begreiflich? Ein blinder Mann hat nicht die gleichen Chancen auf dem Liebesmarkt. Ich hatte Angst.«
»Wovor?«
»Dass ich mich zu sehr in Gwen verliebe und es nicht verkrafte, wenn sie aus meinem Leben wieder verschwindet.«
»Doch das tat sie nicht.«
»Nein. Sie hat … mich verführt.« Er senkt den Kopf. »Es war … Als der Montag kam und sie zu ihrem Job und zur Uni musste, sagte sie, sie will mich wiedersehen. Ich war überglücklich. Sie kam zu mir nach Cirencester, wann immer sie konnte. Dabei benahm sie sich sehr geheimnisvoll. Ich glaube, es machte ihr Spaß, etwas zu besitzen, das nur ihr allein gehörte. Unsere Liebe.«
Das Gehirn der Kommissarin schlägt Verbindungen, schließt Lücken auf der Suche nach den Hintergründen von Miss Perrys Tod. Rosy empfindet zugleich eine tiefe Trauer. Hier wurde etwas zerstört, das verheißungsvoll begann. Vielleicht wäre Gwendolyn mit diesem jungen Mann tatsächlich ihrem Schicksal entkommen. Sie wollte keine Bewunderte sein, sondern geliebt werden von einem, der in sie hineinschaute, ohne sie zu sehen.
Rosy geht zu ihrem Schrank. »Ich brauche einen Scotch. Darf ich Ihnen auch einen eingießen?«
»Gern.«
Sie füllt zwei Gläser und gibt ihm eines. »Woher stammt der Spitzname Rank ?«
»Ich bin in England geboren, habe meine Kindheit aber in Australien verbracht. Meine Mama sagte zu mir: Iss dein Porridge, wenn du ein ranker Kerl werden willst. Sie meinte damit kräftig. Ich aß mein Porridge und wurde trotzdem nicht besonders stark. Der Name blieb . «
Rosy versucht nicht, mit ihm anzustoßen. »Cheers.«
Sie trinken. »Haben Sie Gwendolyn einen Ring geschenkt?«
»An unserem letzten
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