Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition)
Sieger ebe n falls alles andere als triumphal waren. Die Offiziere wirkten düster und g e dankenverloren, die Soldaten hatten etwas Gereiztes, Überdrehtes an sich, so als wäre die eigentliche Schlacht noch gar nicht geschlagen. Die römischen Bürger aber feierten ihre Erlösung von dem Scha t ten der Bedrohung, der seit über zehn Jahren über ihnen allen gelegen hatte. In ganz Italien, in jedem Haus und jedem Palast wurde g e feiert. Die Straßen und Plätze Roms waren voll glückl i cher Menschen, die Marius den neuen Gründer Roms nannten und sich gegenseitig u m ar m ten. Der Magistrat hatte Wein und Lebensmi t tel für die Ärmsten ausgegeben, die Wohlhabe n den Roms spendeten aus eigener Tasche nochmals, um die Feiern so glanzvoll wie nur mö g lich zu gesta l ten. Rom war wieder unangefochtene Weltmacht. Marius, der au f recht und ohne ein Lächeln im Tr i umphwagen durch die Straßen Roms fuhr, winkte den jubelnden Massen mal mit der rechten, mal mit der linken Hand, an der der goldene Ring glänzte.
Lucius hatte es nicht geschafft, eine Krankheit vo r z u täuschen, um an dem Triumphzug nicht teilne h men zu müssen. Seine Kameraden hatten ihm ang e fleht, sie auch diesmal nicht im Stich zu lassen, und so hatte er diesen Tag als eine einzige Demütigung über sich erg e hen lassen müssen. Nach dem offizie l len Teil allerdings hatte er sich so schnell wie mö g lich in seine Villa z u rückgezogen und sich jeglichen Besuch verbeten. In schwärzester Laune verbrachte er seine Tage. Er aß praktisch nichts von den Spe i sen, die seine Sklaven ihm in sein Zimmer brachten. Stattdessen jagte er sie davon, um seine Ruhe zu haben.
Fünf Jahre war Lucius auf Feldzügen gewesen. In di e ser Zeit hatte es Marius nicht nur g e schafft, sich als alleinigen Sieger der Schlachten darzustellen, auch seine Verbündeten hatten es verstanden, jede innenpolitische Frage zu ihren Gunsten zu en t scheiden. Egal, ob es sich um die Versorgung der Veteranen oder um die Ansprüche der ehemaligen Bundesgenossen auf röm i sches Bürgerrecht hande l te, Saturninus und Servilius hatten die Interessen ihrer Unterstützer zu wahren g e wusst und die O p timaten fast völlig aus dem polit i schen Leben der Hauptstadt entfernt. Lucius hatte oft genug G e rüchte gehört, dass es dabei auch zu Au f tragsmo r den gekommen sein sollte. Wie auch immer, es wäre schon ein seltsamer Zufall, dass ausgerechnet einige aussichtsreiche Kandidaten der Optimaten in rä u berischen Überfällen ums Leben gekommen sein sollten.
Die weiteren Entwicklungen waren nur eine log i sche Konsequenz dieser Politik: Marius wurde zum sechsten Mal Konsul, Saturninus wurde erneut zum Volkstribun, und sein Schatten Serv i lius schaffte es immerhin bis zum Amt des Prätors. Alle entsche i denden Positionen waren so mit Figuren aus Mar i us’ Seilschaft besetzt, nichts schien ihre Position für die nächsten Jahre e r schüttern zu können.
Doch langsam drangen andere Nachrichten in L u cius Abgeschiedenheit und veranlassten ihn, sich doch wi e der mit dem öffentlichen Leben der Hauptstadt zu befassen.
So schön die neuen Gesetze auf dem Pergament auch aussahen, irgendwann war der Tag geko m men, an dem sie in die Realität umgesetzt werden mussten. Um die Veteranen aus der Armut zu h o len, sollten die Getre i depreise gesenkt werden. Das brachte Bauern, Händler und Handwerker auf die Barrikaden, deren Arbeit nun plötzlich per Gesetz auf einen Bruchteil entwertet we r den sollte. Ma s senenteignungen von Land, das in kleine Parzellen geteilt an die altgedienten Soldaten ve r schenkt werden sollte, führten zu Tumulten. Und als den Bürgern Rom schließlich klar wurde, dass nun die kaum zivilisierten Italiker aus dem Bauernland vor den T o ren Roms das gleiche Stimmrecht erhalten sollten wie die Stadtbürger, kam es zu Straße n schlachten.
Lucius war alarmiert, es verging nun kein Tag mehr, an dem er nicht zwischen den aufg e brachten Bürgern Roms auf dem Forum umherstreifte, um nur ja keine Neuigkeit zu verpassen. Viele einfache Bürger erkan n ten ihn, hielten ihn an der Toga fest und beklagten sich voll Empörung über die neuen Gesetze. Andere, alte Soldaten zumeist, verhielten sich reserviert und drehten sich weg, wenn sie ihn sahen. Als Feldherr verehrten sie ihn, als Aristokr a ten z u rück im zivilen Leben konnten sie ihn nur als Gegner ihrer berechtigten Ansprüche wahrne h men. Lucius verstand sie, doch die Art, wie die Marianer
Weitere Kostenlose Bücher