Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition)
vorgingen, war vollkommen rüc k sichtslos. Mit G e nugtuung nahm er die neuesten Gerüchte auf. Selbst Marius würde langsam der Boden zu heiß, hieß es. Marius habe sich auf ein Leben als anges e hener Senator und Konsul eingerichtet. Doch in den ganzen Turbulenzen begann sein Ansehen zu wanken, er ve r üble es sogar seinen Veteranen, dass sie der Grund für alle Schwierigkeiten waren.
Als diese stürmische Amtsperiode endlich zu Ende ging, hatten sich Saturninus und Servilius erneut für ihre Ämter aufstellen lassen, aber Lucius wusste gena u so gut wie jeder andere in Rom, dass die be i den gegen die besonnen wirkenden Kandidaten der Optimaten keine Chance mehr hatten. Und da g e schah das U n fassbare: beide Hoffnungsträger der Optimaten wu r den eines Morgens tot aus dem T i ber gezogen. Ein scharfer Schlag hatte ihnen das G e nick gebrochen, die wertvo l len Togen und ihre Börsen fehlten, doch das konnte niemanden tä u schen. Die Menge brachte die Leichen der beiden Arist o kraten auf das Forum, das sich schnell füllte, bis die Menschen dicht an dicht standen und in e r wartungsvollem Schweigen auf einen Spruch des S e nats warteten.
Keiner der Männer auf dem Platz hatte eine Vo r ste l lung, wie man dieser Situation noch Herr we r den kon n te. Jede Anordnung, jede Maßnahme konnte durch gewalttätige Schläger zunichte g e macht werden. Ni e mand sah hier noch eine Mö g lichkeit, wie wieder Ruhe und Sicherheit in Rom einkehren könnten.
Nach Stunden trat endlich ein ältlicher Senator auf die Rostra. In die atemlose Stille auf dem Platz fi e len die zittrigen Worte des alten Senators, und was er verkü n dete war so genial, dass es von einer göt t lichen Eing e bung herrühren musste: „Bürger Roms. In dieser Stu n de erlebe ich in meinem hohen Alter die Schmach und die Schande, dass der Senat keine Handhabe mehr sieht, Ordnung und Sicherheit in den Straßen Roms wieder her zu stellen. Ich muss he u te nicht viele Worte machen um zu rechtfert i gen, dass der Senat sich g e zwungen sieht, den Staatsnotstand zu erklären. Jeder von euch hat die Ereignisse der vergangen Wochen verfolgt und wird die Entscheidung der Senatoren als eine ric h tige billigen. Der Senat legt die Macht über Rom in die Hände des verdienten Generals und hohen Konsuls Marius. Er verpflichtet sich für die Wi e derhe r stellung der Ordnung in unserem Staate zu sorgen. Alle seine Anor d nungen haben bis zur nächsten Sitzung des Senats die Kraft von Gese t zen. Jeder Widerstand kann mit dem Tode bestraft werden. Ich bitte nun die Bürger Roms, das Forum in aller Ruhe zu verlassen und sich an ihre Geschä f te zu begeben.“
Der klapprige Senator stieg umständlich von der Rostra und verschwand wieder in der Kurie. Lucius glaubte für einen Moment, dass er sich verhört ha t te: Marius war auf seine eigenen Verbündeten a n gesetzt worden, die Seilschaft war gesprengt und damit handlungsunfähig. Kaum ein Jahr nachdem sich Marius und seine Ve r bündeten so großartig positioniert hatten, war es dem Senat gelungen, die Aufsteiger zu entmachten. Alle r dings, um genau zu sein, hatten sie es eher selbst g e schaf ft. Lucius hätte vor Freude am l iebsten die U m stehenden umarmt. Er unterließ es aus Angst, jema n den zu provozi e ren.
Die folgenden Tage verliefen noch dramatischer, als es sich sogar Lucius ausgemalt hatte. Marius, der sich vor die Entscheidung gestellt sah, entweder seinen Ve r bündeten zur Seite zu stehen und sein Amt als Konsul zu verraten oder in Roms Auftrag zu handeln und die Partner zu opfern, entschied sich für die letztere Mö g lichkeit und ging mit So l daten gegen sie vor. Er nahm sie gefangen und sperrte sie in die Kurie, um sie dort zunächst einmal in Sicherheit zu bringen. Doch die vermeintliche Sicherheit des Gebäudes wurde ihnen zur Falle. Fanatisierte Banden deckten das Dach ab und ste i nigten die beiden mitleidlos, die nun schutzlos wie die Hasen im Gehege waren. Johlend und singend ve r zogen sich die Massen erst, als Apuleius Satu r ninus und Servilius Glaucia leblos am Boden lagen.
Der Staatsnotstand wurde noch einige Wochen au f rechterhalten, der Senat setzte die Gesetze der beiden Aufwiegler außer Kraft, und als endlich wieder Ruhe in den Strassen Roms eing e kehrt war, kehrte man zur alten Ordnung zurück. Lucius war wie in einem Rausch. Es gab also doch noch G e rechtigkeit. Seine Feinde hatten sich selbst vernic h tet. Jetzt war alles wi e der o f fen, und er war sich
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