Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition)
Vorstellungen seiner Gas t geber angepasst hatte.
Auch am nächsten Abend waren sie noch ohne die Gesellschaft der anderen Krieger. Marcus fühlte sich schon seit dem Morgen ein wenig krank. Ihm war, als laste ein Gewicht auf seiner Brust, ab und zu musste er husten. Da er nur wenig Lust hatte, unter diesen U m ständen G e schichten zu erzählen, versuchte er Hirst zum Reden zu bringen. Er fragte ihn nach seiner He r kunft, nach seinem Alter, ob er Geschwister hätte und so fort, doch er bekam nur einsilbige Antworten. Hirst schien an den Umstä n den, die seine eigene Person b e trafen, wenig Inte r esse zu haben. Marcus gab jedoch nicht auf sondern lenkte das Gespräch stattdessen auf seinen Gastg e ber. Er habe gehört, dass König Bojords Familie göttlicher Herkunft sei, ob denn Hirst ihm N ä heres dazu berichten könne. Hirst belebte sich sichtlich, dieses Thema erschien ihm offensichtlich wesentlich fesselnder als seine eigene Geschichte, und tatsäc h lich gab er en d lich seine Zurückhaltung auf und begann zu erzählen:
„In diesem Land am Ende der Welt lebte einst ein K ö nig. Der König hatte zwei Söhne. Der ält e re hieß Agnar und war zehn Winter alt. Der jüngere hieß Geirröd und war acht Winter alt. Beide waren von seltener Schö n heit, groß und kräftig mit goldblo n dem Haar und fre i em Blick. Dabei waren sie mutig und geschickt sowohl in den Spielen mit Gleichal t rigen, als auch auf der Jagd. Sie waren einander zugetan, und keiner wollte ohne den anderen irge n detwas beginnen. Ihr Vater, der König, liebte sie über die Maßen und alles Volk war stolz, so schöne und mutige Prinzen zu haben. Doch nicht nur die Menschen liebten die beiden Knaben, auch Odin selbst und sein Weib Frigg hatten durch Hugin und Munin, ihre Raben und Kundschafter, Nachricht b e kommen von den beiden Knaben. Als sie eines Tages von der Esche Yggdrasil hinabblic k ten auf die Welt, sahen sie, dass alles wahr war, was die Raben erzählt hatten. Da sagte Frigg:
‚Ich wünschte, ich hätte in dem langen Winter, der uns bevorsteht solch anmutige Gesellschaft. Es ist lange her, dass unsere Söhne Knaben waren, und ich sehne mich nach einem Kind im Hause.’
Odin entgegnete:
‚Dein Gedanke ist gut. Auch ich würde gerne einen Knaben leiten und ihn erziehen, so dass er klug und stark werde und seine Feinde besiegen kann. Lass uns die Kinder für einen Winter zu uns nehmen, damit die Zeit uns nicht lang werde.’
Eines frühen Morgens im Herbst gingen die beiden Jungen zusammen los, um Fische für den Winte r vorrat zu fangen. Sie brachen noch in der Dunke l heit auf und fuhren aufs Meer hinaus. Als sie sahen, dass sie gen ü gend gefischt hatten und ihr Boot ke i nen weiteren Fang mehr tragen konnte, holten sie die Netze ein und wol l ten sich auf den Weg nach Hause machen. Der Tag dämmerte gerade herauf, als sie jedoch erkennen mus s ten, dass eine Str ö mung sie weit aufs offene Meer hi n aus getrieben hatte. Da erschraken sie zutiefst, denn sie konnten noch nicht einmal einen Streifen vom Ufer erke n nen. Tapfer ruderten sie in die Richtung, in der sie ihre Heimat vermuteten, doch sie fanden kein Land. Nachdem sie den ganzen Tag und die ganze Nacht auf dem offenen Meer getrieben waren, sahen sie am nächsten Morgen eine kleine Insel am Horizont aufta u chen. Schwach vor Durst und Müdigkeit nahmen sie ihre letzten Kräfte zusammen und ve r suchten einige Ruderschläge auf die Insel zu. Und seltsam war es, wie sie doch zuvor mit aller A n strengung scheinbar nicht von der Stelle gekommen waren, sie nun mit ihren w e nigen Kräften auf die Insel gerade zuzufliegen schi e nen. Bald hatten sie das Ufer erreicht und das Boot an Land gezogen. Doch schon wurden sie wieder von Angst und Ve r zweiflung übermannt, denn die Insel war winzig und nur von dünnem Gras und Schilf bewac h sen. Da verließ sie der Mut, und sie setzten sich hin um zu weinen, denn sie waren doch noch Kinder und wussten sich nicht mehr zu helfen.
Als ihre Tränen versiegt waren, sagte Agnar zu Gei r röd:
‚Lass uns um die Insel herumgehen, vielleicht fi n den wir eine Pfütze mit Regenwasser um u n seren Durst zu stillen. Dann wollen wir weiterziehen.’
So machten sie sich auf den Weg. Als sie auf der and e ren Seite der Insel angekommen waren, b e merkten sie eine windschiefe Fischerkate, die so tief im Schilf und Gras versteckt war, dass sie sie von ihrem Landeplatz aus nicht hatten entdecken kö n nen. Sie traten näher, und es
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