Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition)
suchten nach Kräften den Nebenbuhler auszuschalten und zu entm u tigen, solange er noch jung und hilflos war. Das Einz i ge, in dem sie ihm beim besten Willen nicht die Fähi g keiten absprechen konnten, war im Spiel und Wettkampf auf dem Marsfeld. Durch seine ländl i che J u gend auf dem Gut war Lucius eindeutig der beste Reiter, nicht nur unter Gleichaltrigen, so n dern auch im Wet t streit mit wesentlich Älteren.
Lucius litt schweigend. Eines Nachmittags floh er mit Ventus vor die Grenzen der Stadt und fand e i nen Baum, der ihm als Ersatz für seinen geliebten Olive n baum dienen konnte. Er schwang sich ins Geäst und ging die vergangenen Wochen in G e danken durch. Er musste sich eingestehen, dass, aus welchen Gründen auch immer, er niemals von den Mitschülern akzeptiert werden würde. Nicht einmal die Jugendlichen aus dem Ritterstand zeigten Ne i gung ihm entgegenzukommen. Trotz wallte in ihm auf. Sie unterschätzten ihn gewaltig, wenn sie dac h ten, dass er auf sie angewiesen war. Er hatte sich auf dem Land an Einsamkeit gewöhnt, er würde auch hier ohne Gesellschaft auskommen. Sein Vater tat ihm leid, der trotz der gespielten Unbekü m mertheit so viel für seinen Sohn erhoffte. Wenn sich die Haltung seiner Mi t schüler nicht änderte, würde er niemals Freunde gewinnen, niemals Zutritt zu bede u tenden Familien erhalten und Verbindungen für die Zukunft knüpfen können. Etwas, das ihm sein V a ter in seiner zurückgezogenen Lebensweise und in seiner Angst vor der Entdeckung ihrer f i nanziellen Nöte auch nicht bieten konnte. Lucius tat es zutiefst leid, dass er alle Erwartungen seines Vaters würde enttäuschen müssen, und er fasste einen Plan: Solange es ging, wü r de er seinem Vater etwas vorspielen. Er würde jede Schulstunde för m lich in sich aufsaugen, er wü r de seine Lehrer durch sein Gedächtnis und seinen Scharfsinn beeindru c ken und er würde seinen Vater in Hoffnu n gen auf eine glanzvolle Karriere wiegen. Er würde in Z u kunft darauf ve r zichten sich um die Anerkennung seiner Mitschüler zu bemühen und seinen Weg a l leine g e hen. Es würde leichter werden, wenn er sie aus freien Stücken von sich stieß, als tagtäglich u n ter ihrer Able h nung zu leiden. Er atmete tief durch, es würde hart werden, aber das Bild des einsamen, unabhängigen Helden hatte seine Reize. Bezüglich der Einsamkeit blieb ihm ja o h nehin keine Wahl.
Von diesem Tag an war er schweigsam, hielt sich von den anderen fern und konzentrierte sich auf seine U n terrichtstunden. Seine Lehrer schätzten den stillen Ju n gen, seine Mitschüler b e trachteten ihn weiterhin mit Argwohn, hatten aber doch das Gefühl, ihn ein für alle Mal auf se i nen Platz verwi e sen zu haben.
Lucius blieb seinem Entschluss treu. Er hatte sich da r an gewöhnt, bei seinem Familiennamen gerufen zu werden. Er hatte sich daran gewöhnt, sich von den anderen fern zu halten. Er hatte sich daran g e wöhnt, als Klassenbester zusätzliche Nahrung für ihre Spötteleien zu liefern. Se i ne Mitschüler dag e gen hatten sich nicht daran gewöhnt, dass er auße r gewöhnlich intelligent war und sich zu einem gu t aussehenden Jüngling entwickelt hatte, der dazu noch der beste Reiter auf dem Marsfeld war. Zw i schenzeitlich waren auch die Eltern seiner Schu l kameraden auf ihn aufmerksam geworden und be o bachteten seine Entwicklung mit höchstem Mis s trauen. Zeigte ein Knabe Neigung, sich dem Sprössling der dubiosen, verarmten Familie anz u schli e ßen, wurde er umgehend von seinem Vater zur Rede gestellt. Luc i us, oder besser Sulla, tat so, als merkte er es nicht.
Lucius’ Vater merkte in seiner Zurückgezogenheit a l lerdings wirklich nichts von der schwier i gen S i tuation, in der sich sein einziger Sohn seit der A n kunft in Rom vor mehr als sechs Ja h ren befand. Er begnügte sich damit, die begeisterten Berichte der Lehrer zu genießen und a l les zu ignorieren, was nicht in das glanzvolle Bild passte, das er sich in seiner Abgeschiedenheit vom L e ben seines Sohnes gemalt hatte.
Lucius seinerseits tat alles, um seinen Vater zu schonen und war sogar schon so weit, Freundscha f ten und Ei n ladungen zu erfinden, um ihm eine Freude zu machen. Ganze Abende streunte er durch die Straßen und Ga s sen Roms, um spät nach Hause zu kommen und am nächsten Morgen G e schichten von erfundenen Gas t mählern zu erzählen. Seine Schwestern waren inzw i schen an unbede u tende Ritter verheiratet worden, um die Mitgift gering
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