Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition)
schluss machte ein Gefährt, mit dem Lucius und sein Vater in Begleitung einer kleinen Leibwache am Ende der Woche nach Rom aufbrechen wü r den. Eine fest verschlossene Truhe, die einen Großteil des Barvermögens enthielt, war vorb e reitet und wurde nicht eine Sekunde aus den Augen gelassen.
Endlich war der Tag des Aufbruchs gekommen. Früh am Morgen setzte sich die Reisegesellschaft in Bew e gung. Lucius hatte langsam sogar ein wenig Vergnügen an dem ganzen Unte r nehmen. Nachdem sich der erste Schock gelegt hatte, sah er der Au s sicht nach Rom u m zi e hen zu können mit gespan n ter Erwartung entgegen.
Am Abend des zweiten Reisetages gelangten sie an die Tore der Stadt. Die Wache hielt sie auf, da sie noch bis zum Anbruch der zehnten Stunde zu wa r ten hätten. Karrenverkehr sei zu den Tagesstunden nicht erlaubt. So kam es, dass er die ersten Ei n drücke seiner neuen Heimat in der Dunkelheit e r lebte. Ein ortskundiger Führer leitete sie an die a n gegebene Adresse, wä h rend sie sich neugierig in ihrer neuen Umgebung umsehen konnten.
Viel war nicht zu erkennen, lediglich einzelne L a ternen erleuchteten ab und an einen Hausei n gang oder eine Bildsäule. Hin und wieder entdeckte Lu i cus Frauen, die im Schein einer Late r ne auf irge n detwas zu warten schienen. Da Lucius sich nicht vorstellen konnte, was sie da suchten, fragte er se i nen Vater. Ein undeutliches Knurren war die An t wort. Lucius entdeckte jedoch schnell andere Di n ge, die seine Aufmerksamkeit fesse l ten. An die sti l len Nächte auf dem Land gewohnt, e r schien ihm der Lärm in den nächtlichen Straßen Roms gerad e zu ohre n betäubend. Da der Verkehr für Güter und Personen in die Nachtstunden verbannt war, schal l te das Poltern der Fuhrwerke und die Rufe und Schimpfworte der Fuhrleute nun durch die finst e ren Straßen. Aus Tavernen, die im Erdgeschoss mancher Häuser eingerichtet waren, klangen Musik und Geläc h ter, aber auch die schweren Stimmen Betrunkener, die sich über Nichtigke i ten stritten. Die mehrstöckigen Mietshäuser verwandelten die Straßen in Schluchten, in denen sich der Lärm fing und jedes Wort hin und her geworfen wurde.
Lucius war froh, als sie in eine ruhigere Seitenstr a ße abbogen und den Weg in eine kleine a n steigende Gasse einschlugen. Das Sträßchen war schmal, und kleine Häuser bildeten eine geschlossene Front, nur unterbr o chen von den schweren eisenbeschlagenen Türen. Der Lärm der Hauptstraßen klang hier g e dämpft herauf, die Gasse selbst lag in völliger Ruhe und Du n kelheit. An einer der Türen hielten sie an, sein Vater entlohnte ihren Führer, und ihr Hau s verwalter, der geöffnet ha t te, begrüßte sie mit einer tiefen Verneigung. Lucius betrat das Atrium, das mit groben Steinplatten ausg e legt war. Im weichen Licht einiger Fackeln betrachtete er das Wasse r becken, in dem zwei Fische schwammen und ging dann, der einladenden Handbew e gung des Verwa l ters folgend, ins Speisezimmer. Die Sklaven hatten dort die alten Ruhebetten aufgestellt und einen kleinen Imbiss vorbereitet. Lucius legte sich mit seinem Vater zu Tisch, und gemeinsam leerten sie einen B e cher Wein auf ihre Zukunft in der Haup t stadt. Kaum hatte Lucius einige Bissen gegessen, spürte er, dass er todmüde war. Mühsam hielt er sich aufrecht und ve r suchte das Gespräch in Gang zu halten. Sein Vater bemerkte seine Schwäche und sagte lächelnd:
„Mein Sohn. Die Reise war lang, und ab morgen wirst du alle deine Kräfte brauchen. Geh auf dein Zimmer und leg dich schlafen.“
Ein Sklave beeilte sich Lucius in sein Zimmer zu fü h ren. Dort waren sein Bett und seine Kleidertr u he au f gestellt, und wenn er übersah, dass der Raum nicht halb so groß war wie sein a l tes Zimmer, so konnte er sich fast wie zu Hause fühlen. Bevor ihn die Müdigkeit ü berwältigte, dachte er mit Unruhe an die ganzen Ve r änderungen, die die nächsten T a ge ihm wohl noch bringen würden.
Der nächste Morgen fand Vater und Sohn beim Früh s tück vereint und in angeregten Bespr e chu n gen über die weiteren Maßnahmen, die zu ihrer Etablierung in der Hauptstadt notwendig waren. Das heißt, die zu Lucius’, Etablierung notwendig waren, denn sein Vater machte ihm gleich klar, dass er vorhatte, den zurückgezogenen Lebensstil, den er sich in der Provinz a n gewöhnt hatte, hier fortz u führen. Für Lucius war jedoch eine Fülle von U n ternehmungen g e plant: als erstes mussten Lehrer für Rethorik, Staatskunde,
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