Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition)
nicht zuletzt auf den kleinen aber exquisiten Zuchtbetrieb des Gutes zurückzufü h ren. Lucius hatte von seinem Vater vor drei Jahren einen Hengst namens Ventus beko m men. Es war ein prächtiges Tier, der Stolz der ga n zen Zucht. Sie hätten eine beachtliche Summe für ihn aushandeln können, doch sein Vater befand, dass seinem Sohn wenigstens ein angeme s senes Reittier zustand, quasi als Ausgleich für das provi n zielle Umfeld, in dem er sich als Spross einer alta d ligen Fam i lie zu bewegen hatte.
Lucius legte dem Hengst einen Halfter um, sattelte ihn und führte ihn nach draußen in das gre l le Licht des Mittags. Nachdem er dem Pferd einen Auge n blick Zeit gegeben hatte sich an die Helligkeit zu gewöhnen, schwang er sich in den Sattel und ritt zum Hof hinaus. Als er das freie Land erreicht ha t te, ließ er das Tier in Galopp fallen. Lange streifte Lucius ziellos über das Land, um alle beschwere n den Gedanken aus seinem Kopf zu verbannen. Schließlich ritt er zu seinem Lie b lingsplatz, schlang Ventus’ Zügel in einen Busch und kletterte auf den uralten Ol i venbaum, der hier auf einer Anhöhe stand. Der Baum stand völlig allein auf der kleinen Kuppe, vielleicht der letzte Überlebende eines eh e maligen Hains. Vielleicht war er aber auch nur ein Wildling, dessen Früchte noch nie von Menschen g e sammelt und verarbeitet worden waren, so wie sich auch jetzt niemand um den alten Baum kü m merte. Niemand außer Lucius, der den Platz über die Maßen liebte. Der alte gewundene Baum, de s sen Blätter bei jedem Windstoß silbrig schimme r ten, erinnerten ihn an ein Netz voller glänzender Sardinen, das Fischer an e i nem Sommermorgen aus dem Meer gezogen hatten und bot ihm einen Thron, wie Jupiter ihn nicht hätte großartiger aussuchen können. Über die sanft g e schwungenen Hügel wanderte der Blick durch den Dunst weit bis zur glitzernden Fläche des Mittelmeeres. Der Küste vorgelagert ragten einige kleine Inseln aus dem Blau des Wassers. Hier auf der Kuppe brachte der kleinste Windhauch eine erfrischende Brise vom Meer, und Lucius meinte einen leisen Duft von Tang und Muscheln zu erahnen. Die Einsamkeit war überwält i gend, und die Kargheit der Lan d schaft wurde durch das anhaltende Schrillen der Zikaden noch hervorgehoben. Ihr Gesang war so einförmig, dass man sich so schnell daran gewöhnte und das Geräusch erst wieder wah r nahm, wenn die kleinen Tiere nach einer wie abgespr o chen wirke n den Pause ihr Konzert wieder au f nahmen.
Lucius starrte in die Luft ohne das wundervolle Bild zu würdigen. Die Nachricht, sein Zuhause aufgeben zu müssen, hatte ihn zutiefst getroffen. Was sollte Rom ihm zu bieten haben, das ihm das alles ersetzen konnte. In der stillen Landschaft em p fand er seine Einsamkeit als Freiheit. Unter and e ren Menschen war sein ve r schlossenes Wesen eine Bürde. Er fühlte die Schieflage seiner Familie nur zu gut und litt unter der hämischen Neugierde der anderen Bü r ger, die die Bemühungen seines Vaters belächelten, die alterwürdigen Familie n traditionen auch in ihrer unbedeutenden Gegenwart zu bewa h ren. Er wusste trotz seiner Jugend, dass im sich explosionsartig ausdehnenden Rom jeder nach G ü tern, Beute, Sklaven und Geld gierte und der Wert eines Mannes nach seinem Vermögen beurteilt wurde. Ein armer Schlucker konnte der tapferste, gebildetste und ehrenvollste Mensch sein, er würde von seinen röm i schen Mitbürgern doch nur mitle i dige Herablassung ernten. Lucius war sich sicher, dass das, was er hier in dem kleinen Provinzstäd t chen durchzustehen gehabt hatte, nur ein schw a cher Abglanz dessen war, was in Rom auf ihn wa r tete.
Lange saß er zwischen den Ästen des alten Baumes und hing seinen Gedanken nach. Die Sonne stand bereits tief, als er sich auf den Rückweg machte. Mit hänge n den Schultern saß er auf Ventus und trabte langsam nach Hause.
Doch sein Vater dachte nicht daran, auf die Em p fin d lichkeiten seines Sohnes Rücksicht zu nehmen. Am nächsten Tag begannen die Vorbereitungen für den Umzug nach Rom. Verschiedene Möbel, die Speise li e gen allen voran, Ruhebetten, Truhen mit Kleidung und Geschirr wurden auf Karren verladen und unter der Aufsicht zuverlässiger Sklaven vo r ausgeschickt. Es folgten Kisten mit haltbaren Na h rungsmitteln, mit B ü chern und Toilettenartikeln, Decken, Kissen, Amph o ren mit Wein und Olivenöl. Der Koch fuhr mit einigen Küchenjungen und mit seinen bevorzugten Gerätscha f ten ab. Den A b
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