Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition)
Staatsmänner. Man schlägt sich um die Gunst die Bänder ihrer Sand a len knüpfen zu dü r fen. Ein Kuss von ihr wird mit Gold bezahlt und die Brücken des Tiber können die Unglücklichen nicht zählen, die sich ihretwegen in den Tod gestürzt haben.“
Nikopolis blühte unter den Schmeichelein auf wie u n ter einem milden Frühlingsregen. So u n recht hatte der Spötter nicht, hätte er von der Verga n genheit gespr o chen, doch im Angesicht der verfa l lenen Schönheit sprach blanker Hohn aus ihm. Die Gesellschaft kam langsam in Fahrt, man ließ mehr Wein bringen und begann Trinkspiele zu Ehren der Nikopolis, die stets damit endeten, dass sie selbst die meisten Becher leeren musste. Unterdessen fuhr Nomentan in seinen übe r triebenen Lobeshymnen fort. Als das Spiel sich etwas abzunutzen begann, befahl er den Musikern eine thr a kische Melodie zu spielen und flehte Nikopolis an, die Gesellschaft mit ihren berühmten Tanzkünsten zu e r freuen. Lucius, der bisher unbeteiligt das G e schehen beobachtet hatte, wurde aufmerksam. Im Grunde war ihm der üble Scherz gleichgü l tig. Nikopolis sollte ihre Hölle haben, so wie er die seine hatte. Aber das schle i mige Lachen und die hohlen Gesichter der arroganten Nichtstuer widerte ihn immer mehr an. Nikopolis, die sich noch einmal in ihre besten Zeiten zurüc k versetzt fühlte, konnte oder wollte die Falle nicht erkennen und erhob sich bereitwillig. Nachdem sie ein leichtes Schwanken beim Aufstehen in den Griff bekommen hatte, hob sie die dünnen Ärmchen über den Kopf und begann zu den schrillen Klängen der Flöten um den Tisch zu tanzen. Sie bog sich zu dem einen oder and e ren Gast, verteilte Kusshändchen und wiegte ihren Oberkörper. Die Gäste feuerten sie durch Kla t schen und bewundernde Zurufe an und wanden sich dabei vor Vergnügen. Ein künstl i ches Haarteil löste sich, die schwarze Schminke um ihre Augen verwischte im Schweiße der Anstre n gung. Als sie eine Pirouette ve r suchte, verlor sie das Gleichgewicht und schlug mit der Schläfe an die Tischkante. Die Gesellschaft bog sich vor Lachen, einen solchen Spaß hatte man von dem langweiligen Abend nicht mehr erwartet. Nomentan setzte zu einem weiteren hämischen Kommentar an, doch ehe er das Wort ergreifen konnte, stand Lucius brüsk auf. Das Lachen verebbte und Schweigen breitete sich aus. Lucius zog Nikopolis hoch, griff sie unter die Achsel und verließ mit ihr die Gesellschaft. Sie hatten die Tür noch nicht erreicht, als das Gelächter aus dem Speisesaal schon wieder in voller Lautstä r ke zu hören war.
Er brachte sie nach Hause und übergab sie ihren Skl a vinnen. Er wollte nur weg und die ganze Ang e legenheit vergessen, doch Nikopolis hielt ihn z u rück.
„Bitte bleib! Wenn du jetzt gehst, ist mein Leben zu Ende.“
Er blieb.
Am nächsten Morgen erwachte er vor ihr und st u dierte die gealterten Züge seiner alten und neuen Geliebten. Gestern Abend hatte ihn mehr die Selbstgefälligkeit der oberflächlichen G e sellschaft angewidert, der kein Scherz auf Kosten Anderer zu billig war und die sich sogar mit einer alternden Frau ihre Späße erlaubte. Heute tat sie ihm leid. Sie tat ihm leid, weil er aus Mi t leid mit ihr geschlafen hatte. Gleichzeitig fühlte er sich ihr wie im Unglück verbunden, denn auch er selbst fühlte sich alt. Zu alt für das Leben eines Nach t schwärmers ohne Aufgaben, ohne Verpflichtungen. Er war dabei sein Leben zu verschwenden, und wenn er morgens in den Spiegel blickte, so sah er ein Gesicht, das den Wein immer weniger verleugnen konnte. Seine Wangen neigten zu einer schwammigen Fülle im unt e ren Bereich, und unter den Augen zeigten sich Träne n säcke. Im Laufe des Tages gewann er sein jugendliches Aussehen zurück, doch er wusste, dass es nur eine Fr a ge der Zeit war, bis er ein früh ve r brauchter Nichtstuer sein würde. Wenn er nicht rechtzeitig aus dem öffentl i chen Leben verschwä n de, würde man ihm dieselben Scherze zumuten wie Nikopolis. Er zog sich an und verließ das Haus um in se i ner Insula den Rest des Vormittags zu ve r schlafen.
Nur wenige Tage darauf führte der Zufall eine a n dere Begegnung mit der Vergangenheit herbei. Er war ger a de auf dem Weg zur Therme, als er einer der Sklavi n nen der Lydia praktisch in die Arme lief. Diese stieß einen spitzen Schrei aus und klammerte sich an seinem Gewand fest. Mit Mühe löste er das Mädchen von sich ab und fragte sie nach dem Grund dieses Au f tritts.
„Oh, wenn du wüsstest,
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