Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition)
Unruhe verlangte eine Rückkehr in die Hauptstadt, weshalb er sich der nächstbesten Gruppe anschloss, so, als ob ihn dringende Geschäfte riefen.
Auf dem Weg nach Hause kamen ihnen Zweifel, ob sie nicht zu früh aufgebrochen waren. Je näher sie an Rom herankamen, desto intensiver wurde der Gestank, fr i sche Gräber links und rechts der Hauptstraßen zeugten von den Toten, die die Re i chen zu beklagen hatten. Weiter ab vom Weg ve r rieten große Erdhügel die Exi s tenz von Masse n gräbern, in die die Armen hastig g e worfen worden waren. Die dünne Erdschicht darüber konnte den Verwesungsgestank nur unzureichend ü berdecken. Die Hauptstadt selbst war still geworden. Die B e wohner blieben zu Hause und weinten um die T o ten. Theaterspiele, Wagenrennen und andere Ve r a n staltungen mit großem Publikum waren abgesetzt wo r den.
In der Insula hatte der Tod in der drangvollen Enge der ärmlichen Wohnungen gewütet. Der Abfall und der Unrat im und um das Haus war eine wahre Brutstätte für die Gifte gewesen. Seine Bewohner hatten natürlich keine Aussicht gehabt ein ordentl i ches Begräbnis zu erhalten, sondern waren im b e sten Fall in den Masse n gräbern verscharrt oder aber einfach in den Tiber g e worfen worden.
Lucius Unterkunft war von Plünderern als Latrine ve r wendet worden, wohl aus Wut darüber, dass hier nichts zu finden war. Er verließ das Haus und schlug aus alter Gewohnheit den Weg zu Nikopolis ein. Die Tür war verschlossen, kein Laut drang aus den Fenstern nach außen. Ihm war sofort klar, was das zu bedeuten hatte. Einen Moment hielt die E r schütterung ihn an seinem Platz, dann ging er we i ter in dem Gefühl einen Freund weniger auf dieser Welt zu h a ben. Er zögerte nicht seine Stiefmutter aufzusuchen, denn der Gedanke an seine verwüst e te Bleibe trieb ihn weiter. Auf sein Klo p fen öffnete der Pförtner, der von Lydia mit reichlichen Z u wendungen zu ihrem Komplizen gemacht worden war und ihn stets unbemerkt in ihre Gemächer ei n g e schleust hatte. Dieser zog ihn hastig in seine Pförtne r loge.
„Was willst du hier? Weißt du denn nicht, dass Lydia tot ist?“
„Lydia ist tot?“
„Sie starb noch in den letzten Tagen der Seuche. Du kannst von Glück sagen, dass du damals plöt z lich aus Rom verschwunden bist, denn Lydias Vater tobte vor Wut, als er kurz darauf von deinen Bes u chen erfuhr. Irgendjemand hat ihm auch gesteckt, dass ich von der ganzen Sache wusste. Du kannst mir glauben, dass ich mein Entgegenkommen ve r flucht habe. Bitte geh jetzt und komm nie wieder.“
Lucius ging. In seiner Wohnung warf er Dreck und Unrat aus dem Fenster, drehte das Polster auf die Seite, auf der es etwas weniger zerrissen war und legte sich darauf. So verbrachte er seinen dreißi g sten Geburtstag und so fand ihn einige Tage später ein Bote, der ihm eine Nac h richt von einem Adv o katen zu überbringen hatte. Dieser bestellte ihn für den nächsten Tag zu sich.
Auf Pump hatte er sich in einem Bad frisch rasieren und seine Tunika waschen lassen. Die Toga hatte er so geschickt arrangiert, dass einige Löcher vollstä n dig in den Falten verschwa n den. So saß er in ein i germaßen ordentlichem Aufzug am nächsten Tag vor dem Adv o katen. Der konnte zwar über die ärmliche Erscheinung seines Klienten nicht hinwe g sehen, war aber wider Wi l len beeindruckt von dem ungewöhnlichen und ei n nehmenden Aussehen des Mannes der vor ihm saß. Er wirkte älter als seine dreißig Jahre es hätten vermuten lassen, die Spr ö di g keit seiner Haut und sein zehrender Leben s wandel hatten tiefe Linien in das Gesicht gegr a ben, das schmal war und in dem tiefblaue Augen leuc h teten. Die dunkelblonden Locken gaben ihm z u sa m men mit dem vollen Mund eine sinnliche Aura, der sich auch der Advokat nur schwer entziehen konnte. Bis zu dieser Stunde hatte er den Kopf g e schüttelt über die Narretei der ve r rückten Weiber, doch nun begann ein gewisses Verständnis zu ke i men.
„Bitte nenn mir deinen Namen“ begann er.
„Lucius Cornelius Sulla.“
„Nun, werter Sulla, ich habe dich rufen lassen, da ich von einer Dame beauftragt wurde, ihren letzten Willen zu wahren. Wie du sicher weist, war deine Stiefmutter eine begüterte Frau, d e ren Reichtum aus der ersten Ehe mit einem Ritter stammte, der als Steuereintreiber in den a siatischen Provinzen tätig war. Lydia war immer selbst Herrin und Ve r walterin ihres Reichtums, und das Schlaueste was sie je tun konnte, war dir und deinem
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