Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition)
profitieren, doch nun musste er einsehen, dass er sich genau damit mit in die Falle manövriert hatte.
Forschend sah er Lucius ins Gesicht. Dessen Wa n gen waren wie ausgehöhlt und seine Augen schi e nen blaue Funken zu sprühen. Lucius bebte vor Anspannung, und wie ein wirklich guter Schauspi e ler war er völlig in seiner Rolle aufgegangen. Er glaubte selbst an die L ü gen, die er Bocchus aufg e tischt hatte und deren Wah r heit er in seinem jetz i gen Zustand noch unter Folter beschworen hätte. Bocchus atmete tief durch. „Werter Freund, ve r zeih, dass ich die Gebote der Gastfreun d schaft ve r gaß. Du bist erschöpft und brauchst Ruhe. Bitte, sei mein Gast.“
Er klatschte in die Hände, worauf zwei Sklaven e r schienen und in die Knie sanken. Bocchus gab einige kurze Anweisungen, woraufhin die beiden Lucius in einen anderen Trakt der Fe s tung begleit e ten. Man nahm ihm die beschmutzten Kleider ab, führte ihn in ein Bad und nachdem er gewaschen und mit verschi e denen Ölen und Salben massiert worden war, kleidete man ihn in ein leichtes G e wand und brachte ihn zu einem kleinen Gebäude, das inmitten eines blühenden Gartens stand. Im Schatten eines Feigenbaums waren Teppiche und Kissen zu einem Lager aufgeschichtet, daneben stand ein silbernes Tablett auf dem sich Früchte und Blüten stapelten. Lucius’ Anspannung legte sich nur langsam, doch versuchte er den Anschein zu erwecken, als könne er den Luxus völlig unb e schwert genießen, mit dem man ihn hier ü berschü t tete.
In den folgenden Tagen bekam er niemanden außer einigen bildschönen Sklavinnen zu sehen, die man ihm bei Einbruch der Dunkelheit in seine Gem ä cher schic k te. Bei Tagesanbruch ve r schwanden sie wieder ebenso lautlos, wie sie am Abend aufg e taucht waren, so dass er tag s über allein durch die üppige Anlage spazierte und das System aus kleinen Bächen und Kanälen bewunde r te, mit dem die Gä r ten grün und frisch erhalten wu r den. Den Rest er Zeit döste er im Schatten des Feige n baumes, aß ein wenig von den Delikatessen, die man ihm ohne U n te r lass vorsetzte und - wartete. Die Pracht seiner Umgebung konnte ihn nicht darüber hinwegtä u schen, dass er ein Gefangener war, der unter stre n ger Bewachung stand. Am Ende dieses Abenteuers stand für ihn entweder der Triumph oder ein lan g samer, qualvoller Tod zu Bo c chus’ und Jugurthas Belustigung. Die Tage und Nächte vergingen lan g sam, und nicht die kleinste Unruhe störte den Fri e den der blühenden O a se, die Lucius’ Gefängnis war. Bald hatte er seinen Sinn für Zeit verloren und hätte nicht mehr mit Sicherheit sagen können, wie lange er bereits hier festsaß. Es hä t ten Tage oder Wochen sein können.
Bocchus hatte nur kurz gezögert, dann hatte er Re i ter ausgeschickt, die seinen Schwiegersohn zurüc k holen sollten. Er gab ihnen eine Botschaft mit, in der stand, dass er zwischenzeitlich wichtige und hochgeheime Neuigkeiten erfahren hätte. Die Re i ter brauchten drei Tage, bis sie Jugurtha eingeholt hatten, der schon den halben Rückweg nach Num i dien bewältigt hatte. Er wendete und kehrte mit den mauretanischen Truppen und seiner persönl i chen Leibwache z u rück. Es dauerte fast eine W o che, bis Jugurtha seinem Schwiegervater wieder gegenüber stand. Bocchus empfing ihn mit e i nem Festmahl bei Fackelschein am Wasser, währen d dessen Jugurtha, der im Grunde nur darauf bran n te an den Kriegsschauplatz zurückzukehren, vor U n geduld, aber auch vor Neugierde bebte. Diese wurde zum De s sert befriedigt, als Bocchus ihm die Köpfe seiner Lei b wächter auf silbernen Tellern pr ä sentierte und Jugurtha selbst danach in den Kerker werfen ließ. An diesem Abend wurde Lucius zum ersten Mal wieder in den Inne n hof bestellt. Ohne zu wissen, was diese Ehre zu bedeuten hatte, mus s te er sich den Anschein geben, als genösse er ebenso wie Bocchus die sternklare Nacht. Es war schon weit nach Mitternacht, als Bocchus se i nen Lei b wächtern einen Wink gab. Nur wenige Auge n blicke später erschienen sie wieder und führten mit sich einen Gefangenen. Lucius, der Jugurtha bei seinen be i den Besuchen in Rom gesehen hatte, erkannte ihn s o fort, obwohl Jugurthas Gesicht vor Wut und von dem straffen Knebel in seinem Mund entstellt war. Lucius wäre am liebsten singend und tanzend durch den I n nenhof gehüpft oder zumindest in das Bassin gespru n gen, doch er beherrschte sich. Er atmete tief durch, verneigte sich vor Bocchus und
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