Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition)
des ersten Stoc k werks wölbten sich bei vielen Gebäuden Balkone vor, die mit reichem Schnitzwerk vergittert waren. Die Luft in den Ga s sen erschien Lucius diesmal besonders u n bewegt, trocken und muffig, so als wäre sie seit Jahren nicht ausgetauscht worden. Kein Mensch war zu sehen, nur leise Geräusche und die Gerüche nach Küche und Abort drangen aus den Häusern und standen lange in der unbewegten Luft.
Auf dem Basar kaufte er bei einem frühen Händler einige Scheiben Wassermelone, die er im Gehen aß. Mehr konnte er vor Anspannung nicht zu sich nehmen. Absichtlich verzichtete er darauf, ein Bad zu nehmen und seine Kleidung reinigen zu lassen. Lucius rechnete darauf, dass sein vom Sand der Wüste gepudertes G e sicht und sein staubiger U m hang ihm eine eigene Dr a matik verleihen würden. Als der Platz und der Basar sich allmählich zu bel e ben bega n nen, machte er sich auf den Weg zur F e stung.
Unter dem Torbogen stellte sich ihm die Wache des Fürsten in den Weg. Gereizt durch die Verzög e rung wickelte Lucius sich das Tuch vom Kopf, doch es da u erte eine Ewigkeit, bis ein Hauptmann g e funden war, der ihn erkannte und zum inneren P a last brachte.
Mit schnellem Schritt, so als ob er eben von seinem Reittier gesprungen wäre und nun im Lauf zu se i nem Freund eilte, brachte er die Strecke zwischen dem Wa r tesaal und der Empfangsha l le hinter sich. Vor Bocchus sank er völlig unrömisch in die Knie und verharrte schwer atmend. Bocchus erhob sich und half ihm e i genhändig aus seiner knienden Ha l tung auf. Lucius regis t rierte die Geste befriedigt.
Die Sonne der Wüste hatte den Goldton von Lucius Haut zu tiefer Bronze verbrannt, so dass das Blau se i ner Augen noch auffälliger strahlte und seinem Blick eine hypnotische Energie ve r lieh . Er war sich dieses Effektes sehr bewusst und rechnete darauf, dass er den Fürsten damit in seinen Bann ziehen konnte. Nachdem sie sich einige Sekunden schwe i gend gegenüber gesta n den hatten, flüsterte Lucius: „Mein Freund, du bist in Gefahr!“
Bocchus verzichtete auf eine Erwiderung, ermutigte Lucius aber durch seinen fragenden G e sichtsau s druck fortzufahren, doch dieser deutete ein Schü t teln des Kopfes an. Bocchus verstand und mit einer herrischen Handbewegung sorgte er dafür, dass alle Anwesenden den Saal verließen. Erst als sie allein in der Mitte des großen Raumes standen, fuhr L u cius fort: „Die Situat i on in Numidien spitzt sich zu.“
Das war nun nichts Neues für Bocchus, der vor wen i gen Tagen von einen anderen Besucher einen genauen Bericht der Lage erhalten hatte. Er schwieg und ließ Lucius fortfahren. „Jugurtha hat den Süden seines La n des aufgegeben, um seine Truppen von Westen und Osten an unsere Flanken zu bringen. Nach und nach zog er die Krieger we i ter nach Norden, um u n seren Nachschub abz u schneiden und uns vor sich her in die Wüste zu treiben.“
Bocchus nickte bedächtig, genau so hatte er die Situat i on bereits geschildert bekommen und war sehr beei n druckt von seinem Schwiegersohn gew e sen. Doch L u cius war noch nicht am Ende: „Die Hauptmasse seines Heeres befindet sich nun zw i schen der Küste und u n seren Truppen. Eigentlich ein perfekter Plan, aber g e nau das wird ihm den Kopf kosten. Von Rom wurde die Entsendung dre i er Legionen auf dem Seeweg b e schlossen. Sie we r den in den nächsten Tagen an der Küste Numidiens eintreffen, dann steckt Jugurtha in der Falle. Sein Heer wird dem Ansturm von zwei Seiten nicht standhalten können.“
Lucius registrierte befriedigt, dass Bocchus seine G e sichtszüge nicht ganz unter Kontrolle ha t te und der Bogen seines hoheitsvollen Mundes sich deu t lich weiter nach unten zog. Noch le i ser und b e schwörender fuhr er fort: „Bei unserer Freun d schaft, wenn du es jetzt versäumst Rom ein Zeichen zu geben, dann kann ni e mand für den Bestand de i ner Herrschaft garanti e ren. Rom hat dann riesige Truppen in Afrika, und Marius wird nicht zögern, alle zu vernichten, die er für Ve r bündete seines Feindes halten muss.“
Bocchus erstarrte. Das war nun eine Entwicklung, von der in der ersten Besprechung keine Rede g e wesen war. Der Ausgang des Krieges war nach den letzten Info r mationen keine Frage mehr gewesen, doch nun sah die Lage wieder völlig anders aus. Er hatte Jugurtha, denn ni e mand anderer war sein erster Besucher gewesen, bereits Truppen zur U n terstützung mitgeg e ben, um vom Ausgang der Au s einandersetzung zu
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