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Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition)

Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition)

Titel: Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz von Lech
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Schweigen.
     
    Das Leben wurde auch in den folgenden Jahren nicht leichter. Die Ernten blieben schlecht und die Winter waren auch weiterhin lang und ungewöh n lich kalt. Am Hofe war es still geworden. Bisher hatten sich jedes Frühjahr Scharen von jungen Kriegern eingefunden und um Aufnahme in Bojords Gefolge zu erbeten. Doch nun kamen nur noch w e nige, die vom Ruhm vergangener Tage angelockt wurden und bereit waren, mit ihm auf eine Bess e rung der Umstände zu hoffen. Die Priester versuc h ten im Flug der Vögel die Zeichen für eine Verä n derung zu finden. U m sonst wählten sie die Opfer für den zürnenden Gott mit besonderer Sorgfalt. Die Priesterinnen, die von allen abgeschieden in den heiligen Hainen hausten, versuchten aus dem Blut der Opfertiere und dem Zustand der Eing e weide den Willen der Götter zu erforschen. Doch alle wus s ten, dass es von König Bojord abhing, ob ein U m schwung eintreten würde.
     
    Es war ein Abend im späten Frühjahr. Der Wind war kalt, die Erde auf den Feldern war immer noch hart von Frost. Nur wenige Menschen hielten sich in der Halle des Königs auf. Die Mä g de, die am Herdfeuer auf Befehle des Fürsten oder seiner Krieger warteten, ha t ten vor Müdi g keit graue G e sichter. Bojord und seine Gefolgsleute saßen wie üblich am oberen Ende der Halle in einem Hal b rund. Der Kreis war klein gewo r den, die Wangen der Männer waren im Schein der Fe u er dunkel und hohl. Bojord hätte sich am liebsten gleich auf sein Lager zurüc k gezogen, er wusste, dass es den Mä n nern nicht anders ging. Die anhaltende Du n kelheit des Winters und der ewige Hunger ließen keine andere Wahl sinnvoll erscheinen. Um wenig s tens einen Rest an Selbstachtung zu bewahren, bestand er auf den abendlichen Zusamme n künften aller Krieger und der Priester.
    Sie hatten bereits eine Weile schweigend gesessen, als die Torwache die Ankunft zweier Wanderer meldete, die darum baten, vorgelassen zu werden. Bojords Kri e ger strafften sich und zogen die Wa f fen in Reichweite. Bojord winkte den Wachen, die Wanderer hereinzufü h ren.
    Nach einer kurzen Weile kam der Wächter wieder, g e folgt von zwei kleinen Gestalten, die sich eng aneina n der drängten, unförmig in ihre festen Re i semäntel g e hüllt. Der König hätte beinahe aufg e lacht, hatte er doch Krieger oder Kaufleute erwartet oder einen Botscha f ter, wie den Ju n gen, der vor vielen Jahren hier gewesen war. Bojord versuchte sich zu erinnern - ganz aus dem Süden war der Mann gekommen. Jetzt fiel es ihm wi e der ein: Rom hieß das Reich, dessen Gesandter er g e wesen war. Doch diese glanzvollen Zeiten waren dahin. Statt dass fremde Mächte sich um seine Freundschaft bewarben, kamen hier ein altes Weib und ein kle i nes Kind um ihn, Bojord, den Fürsten des Nordens zu sprechen. Am Halbrund angelangt, zog sich der Wachmann zurück und ließ die Alte mit dem Kind vor den Kriegern stehen. Doch statt unsicher oder verlegen zu werden, wie die anderen Weiber, die in Bojords G e genwart nicht einmal den Blick zu h e ben wagten, ric h tete sie ungefragt das Wort an den König. Ihre Stimme war dunkel und kräftig und passte wenig zu ihrer au s gemergelten Gestalt.
    „Mich schickt Haldgud Swanhwit, meine Herrin.“
    Die Alte zog dem Kind, das sich verschüchtert an sie drängte, die Kapuze vom Kopf, und ein dichter Schopf weißblonden fedrigfeinen Haares wurde sichtbar.
    „Ich soll diesen Knaben zu seinem Vater bringen. Er hat drei Winter überlebt. Er muss nun e i nen Namen bekommen und erzogen werden. Ich soll ihn dir übe r geben, Bojord!“
    Der Fürst hatte wie gebannt auf das helle Haar des Knaben gestarrt. Er ahnte, wessen Kind er hier vor sich hatte. Der kleine Junge stand mit gesenktem Kopf vor den Kriegern. Bojord fürc h tete sich vor dem Moment, in dem das Kind seine Augen au f schlagen würde. Wenn ihm hier vor allen seinen Mannen und den Prie s tern ein unheimliches Ge i sterwesen als Sohn präse n tiert wurde, könnte dies das Ende seiner ohnehin wa n kenden Herrschaft bedeuten. Er hätte am liebsten den Wachmann g e schlagen, der die beiden in die Halle g e bracht hatte, aber es war nun nicht mehr zu ändern. Daher nahm Bojord seinen ganzen Mut zusammen. Hätte er die Wahl gehabt, er wäre augenblicklich in die Schlacht gezogen, nur um dieser Situation zu en t rinnen.
    „Sieh mich an, Knabe!“
    Langsam und schüchtern hob der Junge den Kopf und blickte den Fürsten an. Seine Augen waren von hellem, wässrigem Blau. Das war

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