Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition)
lächerlich.“
Fjörm hatte diese Reaktion vorausgesehen.
„Hör mir genau zu, Wid! Schon einmal habe ich dich daran erinnern müssen, dass meine A n ordnu n gen über deinen Zweifeln und Bedenken stehen. Heute aber kann ich dich zumindest verstehen, deswegen sollst du eine Erklärung bekommen. Der Knabe ist reif über seine L e bensjahre hinaus. Ich fühle, dass mir nicht mehr viel Zeit beschieden ist. Nach meinem Tod wird unser Stamm zumindest einen Druiden mit visionären Kräften brauchen.“
Wid war bei den letzten Worten wie unter einem Schlag zusammengezuckt und wandte sich schwe i gend ab. Fjörm seufzte, er brauchte keine seher i schen Kräfte um vorherzusehen, was seinem Sch ü ler mit Wid bevo r stand, wenn er selbst nicht mehr schützend dazw i schentreten konnte. Aber gerade darum war es so wic h tig, die Position Agnars so stark wie möglich zu m a chen, um ihm scharfe Wa f fen für die Auseinanderse t zungen mit seinem Onkel in die Hand zu geben.
Zwei Wochen später wurde Agnar zum Druiden g e weiht. Er hatte die Nacht allein auf dem Gi p fel eines herausragenden Hügels gewacht und hatte versucht, aus den Visionen der Dunke l heit De u tungen für seine Zukunft zu gewinnen. Doch die Zeichen waren unklar und ließen ihn verwirrt z u rück. Zweifel befielen ihn, fast wollte er Wid Recht geben. Er war zu jung und zu unerfahren für die Aufgabe. Als der Morgen herau f dämmerte, war er immerhin sicher, dass er die Herau s forderung a n nehmen musste. Schon um Fjörms willen, der seine ganze Autorität in die Waagschale geworfen hatte, um Agnars Berufung durchzusetzen.
Eine Abordnung von Priestern und Priesterinnen holte Agnar im Morgengrauen ab, badete ihn und brachte ihn zum Thingplatz, wo Fjörm und ein zä h neknirschender Wid im Kreise der Kri e ger wart e ten. In der Mitte der Versammlung stand Bojord, sein Vater, den er seit la n gem nicht gesehen hatte, und blickte zufrieden in die Runde. Den Kriegern dagegen war an ihren ste i nernen Mienen abzulesen, dass sie es für unter ihrer Würde hielten, für einen so jungen Kn a ben Garde zu stehen. Als die Zer e monie sich ihrem Ende entgegenneigte und Fjörm Agnar zum Zeichen seiner neuen Position in den Mantel der Druiden hüllte, konnten einige ein ha l bes Grinsen nicht unterdrücken. Die Wirkung des we i ßen Priestermantels zu dem bleichen Gesicht und dem hellen Haar des Knaben war zu absonde r lich.
Trotz seiner neuen Würde war für Agnar die Zeit der Ausbildung noch lange nicht beendet. Fjörm verdo p pelte vielmehr seine Anstrengungen und versuchte, all sein Wissen und die E r fahrung seines langen Lebens an den Jungen weiterzugeben. Agnar fühlte sich von den Ansprüchen des Älteren häufig überfordert, doch W i derspruch oder gar Kritik war undenkbar.
Der Treck war im Verlaufe der letzten Jahre bis an den Nordrand der Alpen gezogen. Sie ha t ten etwas tiefer im Gebirge einige geschützte Täler ausg e macht, die als Lagerplatz für den kommenden Wi n ter geeignet e r schienen und waren dort eingedru n gen. Die Wanderer bega n nen sich auf den Winter vorzubereiten, als eine Abordnung eines in der G e gend angesiedelten Sta m mes um Unterredung mit den Fürsten der vier Völker bat. Die Gesandten der Noriker teilten den Eindrin g lingen mit, dass hier kein Platz für eine solch riesige Anzahl Menschen sei. Eine Mitteilung, die man im La u fe der mittle r weile achtjährigen Wanderung bereits des Öfteren gehört hatte. Die Unterhändler der Könige antwo r teten, dass es zu spät im Jahr sei, um noc h mals au f zubrechen. Man werde in jedem Falle hier überwi n tern, im Frühjahr könne man ja we i tersehen. Falls die Anführer der Noriker es wünschten, sei man gerne bereit, die Frage der Gebietsansprüche mit Schwertern zu klären. Die Gesandtschaft zog sich wieder zurück.
Die a lteingesessenen Noriker waren sich schnell da r über klar, dass man es keinesfalls auf einen Z u samme n stoss mit dieser Masse an Kriegern a n kommen la s sen konnte. Glücklicherweise stand man nicht is o liert, g e schickte Verhandlungen und weitreichende Zugestän d nisse ha t ten die Herren Roms bereits vor einigen Ja h ren davon überzeugt, dass der Stamm der Noriker als eine Art nördlicher Grenzposten nicht nur Duldung, sondern freun d schaftliche Ve r bundenheit verdiente. Bevor man also in einem Alleingang losschlug und mögliche r weise große Ve r luste und ein e Niederlage riskierte, war man ger a dezu verpflichtet die Verbünd e
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