Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition)
ten in Rom zu alarmieren und vor der drohenden G e fahr zu wa r nen. Es kam nur darauf an, die Situation so darz u stellen, dass Rom selbst sich bedroht fühlen konnte, und schon hätte man eine römische Legion an se i ner Seite, die die Kräfteve r hältnisse in einer Ause i na n dersetzung ganz entschieden zu Gunsten der Nor i ker verschi e ben würde.
Eine entsprechende Darstellung der Ereignisse wurde sorgfältig abgefasst. Die Stärke und Größe der Krieger sowie ihre unübersehbare Zahl fand ausführliche Wü r digung. Natürlich wu r de das A n gebot der Anführer, im Frühjahr weiterzuziehen, bedeutungsvoll im Raum stehen gelassen. Es war klar, dass die Römer wie von selbst ergänz en wü r den : „...nach Süden!“
Eilig machte sich eine Abordnung auf den Weg, um noch vor Einbruch des Winters über die Alpenpä s se zu gelangen. Mit etwas Glück konnte man sich bereits im zeitigen Frühjahr mit der tatkräftigen Hilfe eines röm i schen Heeres von dem ungebetenen Besuch befreien. Neben dem Schreiben, das die Boten zu überreichen gedachten, bauten sie auf die Überzeugungskraft des gesprochenen Wortes und feilten die ganze Reise über an Reden, die die schwankenden R ö mer auf ihre Seite ziehen sollten.
In Rom angekommen, unternahmen die Gesandten alle notwendigen Schritte, um ihr Anliegen vo r bringen zu dürfen. Kaum zwei Wochen später kam die ersehnte Erlaubnis, und die Abordnung trat, in sauberen Tun i ken, vor die Versammlung des mäc h tigsten Volkes der Erde. Die Gesandten waren bleich vor Nervosität beim Gedanken an ihre so oft geprobten Reden. So übe r reichten sie dem Vorsi t zenden zunächst das Bittschre i ben. Als es laut ve r lesen wurde, fielen einige grammat i kalische Unsa u berkeiten auf, die jedoch nicht der Grund für die unvorhergesehene Reaktion der Ve r sammlung sein konnten. Eine heftige Bewegung ging durch die Reihen, einige Senatoren sprangen von den Sitzen, und vor dem zunehmenden Lärm war an ma n chen Stellen der Vorlesende schwer zu verstehen. Nac h dem er geendet hatte, bat er die Liktoren, die A b ordnung der Noriker aus dem Saal zu bringen. Sie wu r den höflich aber bestimmt hinaus gescheucht und au f gefordert ihre Herberge aufzusuchen; man werde ihnen in Kürze Bescheid geben.
Helle Aufregung herrschte in beiden Gruppen. Die Gesandten fürchteten um den Erfolg ihrer Mission, die Römer um den Bestand ihres Imperiums. Die Noriker wussten nicht, dass vor u n gefähr zweihu n dertfünfzig Jahren Kelten aus Gallien die Alpe n pässe überquert hatten und bis nach Rom vorg e drungen waren. Sie ha t ten die Stadt geplündert – inklusive aller Tempel und anderer Heiligtümer. Zweihundertfünfzig Jahre hatten nicht ausgereicht, die Schrecken dieser Erinn e rung zu mildern. Die damaligen Niederlagen wurden noch i m mer als eine untilgbare Schmach empfunden. Grund genug also, die Abgesandten der verbündeten Noriker aus dem Saal werfen zu lassen, wenn derartig unang e nehme Geschichten erörtert werden mussten. Denn die Parallelen waren unübersehbar, die Inform a tionen, die aus dem Schreiben zu gewinnen waren, w a ren einde u tig: eine Horde riesenhafter Kelten wartete am Nor d rand der Alpen, um im Frühjahr Richtung Rom ma r schieren zu können. Hier musste sofort und mit allen Mitteln gegengesteuert werden.
Konsul Gnaeus Papirius Carbo erhob sich und ve r lan g te vom Senat die Entsendung zweier Legionen unter seinem Oberbefehl, um für klare Verhältnisse zu so r gen. Das Ganze war eine glückliche Fügung der Schic k salsgöttin, wie Carbo fand, denn sein Konsulat hatte sich bisher kaum durch Besonde r heiten ausgezeichnet und drohte ohne ble i bende Erinnerung zu verdä m mern. Hier bot sich nun die willkommene Gelegenheit, immerwähre n den Ruhm zu ernten.
In der allgemeinen Aufregung dachte niemand mehr an die Gesandten, die sich in der Herbe r ge verschanzt hatten und verunsichert auf Nachricht warteten. Nach mehreren Tagen quäle n der Ung e wissheit wagten sie eine vorsichtige Nachfrage, ob denn schon eine Ve r handlung in Sicht sei. Zerstreut antwortete man ihnen, dass der Fall doch längst entschieden wäre.
Die Aussicht, im Frühjahr mit zwei Legionen und e i nem Konsul im Gefolge zuhause ankommen zu kö n nen, löste einen Freudentaumel aus. Die G e sandtschaft war in Feierlaune und stürzte sich für die verbleibenden Wochen ins römische Nachtl e ben. Erst Ende Februar würde man aufbrechen können, um rechtzeitig zur Schneeschmelze die Alpen
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