Der Kimber 2. Buch: Rache (German Edition)
in ein Meer von Hass und A b scheu. Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, um sich aus der Umklammerung des unheimlichen Blicks zu befreien. Mit einer scharfen B e wegung riss er den Rappen gegen die Menschen am W e gesrand und zog sein Schwert, doch in der zurückwe i chenden Menge vor sich sah er nun wieder nur die scha f artigen, ängstlichen Gesichter der römischen Bürger. Marius b e sann sich, steckte sein Schwert zurück in die Scheide und lenkte sein Pferd weiter in Ric h tung auf das Forum.
Der Zwischenfall hatte ihn gedämpft und in seinem Tr i umph herab gestimmt. Unkonze n triert und merklich fahrig brachte er die vorbereitete Ansprache an die Bü r ger hinter sich. Er war froh, als Cinna das Wort ergriff, der all denen, die es wagen würden, sich den Rettern der Hauptstadt entgegenzustellen, die schärfsten Verge l tungsmaßnahmen a n drohte.
Schon am nächsten Tag hatte Marius die demüt i gende Schwäche überwunden, so dass er sich konzentriert den Aufgaben wi d men konnte, die nun vor ihm lagen. Ja, es schien ihm sogar, als wäre er nach der ersten Hera b stimmung durch die unheimliche Beg e benheit wie von neuer Energie beflügelt, als wäre er jünger und kräftiger als je zuvor. Jetzt würde er Rom erzittern lassen. All di e jenigen, die mitgeholfen hatten, ihn in Schimpf aus der Stadt zu jagen, sollten nun ihre Quittung bekommen. Er würde keinen verschonen und erst, wenn er alle Verräter aufgespürt und vernichtet hätte, wollte er sich Ruhe gö n nen.
Marius’ Rache war gründlich und umfassend. O c tavius, der zusammen mit Cinna gewählt worden war, aber a n ders als dieser die neuen Gesetze anerkannt und befü r wortete hatte, hatte nicht vor, vor Marius zurückzuwe i chen. Bereits am nächsten Tag, nachdem die Stadt von den Anhängern des Cinna erobert worden war, e r schien er auf seinem Platz vor dem Senat. Weder hatte er selbst geahnt, noch hätte sonst irgendjemand vorhersehen kö n nen, welche Folgen sein mut i ger Schritt habe würde. Marius, der sich ber e itgemacht hatte, vor dem Senat eine Rede zu halten, befahl seinen Soldaten, den „Verräter“, wie er ihn nannte, zu ergreifen und hinzurichten. Octav i us’ Blut besudelte die Stufen des Senates, und noch hier, im Zentrum der ehrwürd i gen Republik, trennte ein Schwertstreich Octavius’ Haupt vom Rumpf.
Von der Rostra aus hielt Cinna zur selben Zeit eine A n sprache an die römischen Bü r ger. Marius ließ ihm den abgetrennten Kopf in ein Tuch gewickelt bringen, und Cinna nutze die Gelegenheit, diesen als Mahnung an die Bürger an der Rostra zur Schau ste l len zu lassen. Doch nicht nur der Konsul war der Rachsucht des alten He l den zum Opfer gefallen. Ganze Familien, deren Obe r häupter sich missliebig gemacht hatten, wurden ausg e löscht. Jeden Morgen schickte Marius seine Armeen aus. Plündernd und mordend zogen die Banden durch die Hauptstadt und beglichen die Rechnungen ihres Auftra g gebers und so manche eigene. Viele Aristokraten mus s ten sich beeilen, die Stadt zu ve r lassen. Die meisten von ihnen flüchteten li e ber in die Ägäis zu Sulla, als sich der Gnade des alten Generals auszuliefern. Lucius selbst wurde geächtet, während er das Imperium gegen Mithr i dates verteidigte, sein Haus wurde geplündert, seine H a be ging in Flammen auf.
Nachdem alles, was bisher Bestand gehabt hatte, zertr e ten und vernichtet war, ließen Marius und Cinna sich zu den Konsuln der römischen Republik wählen.
Am Abend nach der Wahl hatte Marius auf die übl i chen Feiern und Gesellschaften ve r zichtet, um sich stattdessen ganz allein in das Arbeitszimmer seiner Villa zurückz u ziehen. Er ließ sich Wein bringen und schickte die Skl a ven aus dem Raum. Dann trat er an seinen schweren Ze d ernholztisch, der wie durch ein Wunder alle Unruhen der vergangen Jahre unbeschadet überlebt hatte. Er stü t ze sich mit beiden Fäusten auf die Platte und atmete tief durch. Die s mal hatte er es geschafft. Er war nicht der Mann, an den die Lehren des Schicksals verschwendet waren. Spätestens jetzt wussten alle, dass Krieg war in Rom. Doch jetzt war es zu spät. Die Prophezeiung des Wahrsagers hatte sich endlich erfüllt, er hatte sein siebtes Konsulat angetreten. Marius ließ sich auf seinen Se s sel fallen und lehnte sich zurück. Seine Rechte streichelte geistesabwesend den gol d enen Ring an seinem linken Mittelfinger. Kein anderer Römer hatte es je so weit g e bracht wie er, Gaius Marius aus dem kleinen Kaff Arp i
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