Der Kinderdieb
schwer bewaffnete Männer mit Schwertern und Speeren, die Brustpanzer und nietenbesetzte Wämser trugen und dazu Metallhelme mit hohen Hahnenkämmen. Mehrere Dutzend weitere grimmig dreinschauende Fleischfresser hatten sich verteilt und blickten sich wachsam und bedrohlich um, während sie in regelmäßigen Abständen und in beide Richtungen am Waldsaum entlangpatrouillierten.
Zwei barfüßige Männer in zerlumpten Kniehosen und schmutzigen, zerfetzten Hemden stapften den Hang zum Kessel hoch, einen Eimer in jeder Hand. Ein Buckliger mit Holzbein rührte das Öl. Als die Männer herantraten, schöpfte er mit einer großen Kelle Öl heraus und schüttete die zähflüssige, klebrige Flüssigkeit in die Eimer. Die Männer schauten mit unheilverkündenden Mienen zu, wie die Eimer sich füllten, nahmen sie dann wieder auf und schlurften zurück Richtung Waldrand, wo einige andere Fleischfresser sie schon mit Strohbesen erwarteten. Diese tauchten ihre Besen in das Öl und klatschten es auf die Baumstämme. Dann wichen sie zurück, und ein anderer Mann trat mit einer Fackel in der Hand vor.
Nick wusste, was gleich kommen würde, und er wollte esnicht sehen, doch er konnte den Blick nicht abwenden. Der Fackelträger hielt die Flamme an den Baum. Es dauerte einen Moment, bis das Öl mit kleinen blauen Flammen zu brennen begann, die sich langsam über den Stamm ausbreiteten, doch sobald das Feuer im Gang war, loderte es auf und umschlang den Baum gierig. Der Baum schrie und schrie, als sein Stamm und seine Äste unter den lodernden Flammen knackten und knisterten. Noch während der eine Baum schrie, wandten die Fleischfresser sich bereits dem nächsten zu und dann noch einem. Bald schon schrien die Bäume im Chor.
Der schwarze Qualm wälzte sich über die Lichtung und trug den übelkeiterregenden, süßen Geruch brennenden Fleisches mit sich. Leises Stöhnen erhob sich um Nick. Er blickte sich verstört um, und dann wurde ihm klar, dass es von den anderen Bäumen stammte, die weinten, als sie die Klagelaute ihrer sterbenden Artgenossen vernahmen.
Lieber Himmel, das ist einfach zu viel
. Er spürte Sekeus Hand am Arm, eine Geste, die ihn beruhigen sollte, doch Nick sah ihre Kiefermuskeln mahlen. Er wollte eigentlich nur noch, dass dieser Albtraum vorbei war. Wo war Peter? Wie lange mussten sie denn noch warten?
Nick lenkte sich ab, indem er den besten Weg zu den Fässern ausspähte und ihn sich merkte. Die verbrannten Stämme, Wurzeln und Äste umgestürzter Bäume bildeten ein dichtes Gewirr, das einen gefährlichen Hindernislauf nötig machte. Er würde sich einen Weg suchen müssen, während die Fleischfresser ihn umbringen wollten. Im Schlamm konnte man leicht ausrutschen, und ein einziger Fehltritt konnte seinen Tod bedeuten. Nick schluckte mit trockener Kehle.
Will ich das wirklich tun? Peter weiß hoffentlich, was er …
Seine Überlegungen wurden unterbrochen, als einer der Wachtposten ihn direkt anstarrte. Der Mann lehnte an einem Baumstumpf und kaute auf einem Zweig. Er hatte einen langen,geknoteten schwarzen Zopf auf dem ansonsten kahlen Schädel. In einer Hand hielt er einen verbeulten Helm, und er trug eine angelaufene Brustplatte über einem eingerissenen Lederwams und zerlumpten Kniehosen. Von dem Schwertgehänge an seiner Hüfte hingen ein Schwert und ein Messer, und er hatte eine kurze Hellebarde quer über dem Schoß. Er machte den Eindruck, dass er mit seinen stechenden roten Augen direkt auf Nick starrte.
Nick gefror das Blut in den Adern. Er wagte kaum zu blinzeln, aus Furcht, dass die kleinste Bewegung sie alle verraten könnte.
Der Mann beugte sich vor und spähte angestrengt durch den Rauch. Er neigte sich erst nach links und dann nach rechts, als wäre er bemüht, eine bessere Sichtlinie zu finden. Dann setzte er den Helm auf, ergriff seine Hellebarde und ging den Hang hinunter auf Nick zu.
Nick versuchte nicht zu atmen.
»Ganz ruhig«, flüsterte Sekeu.
Etwa ein Dutzend Meter entfernt blieb der Fleischfresser stehen. Er pfiff einem nahen Wachtposten zu und winkte den Mann zu sich. Als der zweite Wachtposten bei ihm ankam, zeigte der erste auf Nicks Versteck. Der zweite, ein grobschlächtiger, gedrungener Mann, ließ den Blick an den Büschen entlangschweifen und schüttelte den Kopf. Doch der erste war hartnäckig. Er zog den anderen weiter vor und deutete erneut in den Wald. Der zweite Wachtposten zuckte mit den Schultern. Schließlich spuckte der erste den Zweig aus, auf dem er herumgekaut
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