Der Kinderdieb
schlenderte kühn aus seinem Versteck, sodass man ihn bestens sehen konnte, und stellte einen Fuß auf den Brustpanzer eines der Wachtposten, die sie im ersten Scharmützel getötet hatten.
Die Fleischfresser hielten inne, und alle Blicke richteten sich auf Peter. Er ließ das Schwert herabsausen, schnitt dem Toten den Kopf von den Schultern, packte ihn beim Schopf, hielt ihn für alle sichtbar hoch und spie ihm ins Gesicht.
Flüche und empörte Schreie stiegen von den Reihen der Fleischfresser auf. Die Formation geriet ins Wanken, als mehrere Fleischfresser ausscherten und auf Peter zurannten.
»HALT!«
, schrie der Kapitän.
»HALT, SAGE ICH!«
Alle hielten an, bis auf einen Wachmann, einen Kerl mit nacktem Oberkörper und einer großen Axt.
»STEHEN BLEIBEN, BOYLE!«
, brüllte der Kapitän.
»STEHEN BLEIBEN!«
Doch der Mann rannte weiter auf Peter zu.
»DAFÜR WIRSTE BEZAHLEN!«
, schrie der Mann mit irrem Blick.
»DU DRECKIGER KLEINER DÄMON! JAWOLL, BEZAHLEN WIRSTE!«
Peter holte mit dem Kopf aus und schleuderte ihn dem Mann entgegen. Im nächsten Moment huschte einer der Elfen hinter einem Baum hervor und warf seinen Speer. Der Fleischfresser wich dem Kopf aus, doch nicht dem Speer, der ihn in den Hals traf. Er ging in die Knie, griff mit verkrümmten Fingern nach dem Schaft und gab gurgelnde Laute von sich, bis er schließlich zu Boden fiel.
Peter zeigte den anderen die Zähne und stieß ein langgezogenes, krakeelendes Lachen wie von einem wilden Affen aus.
»Zurück ins Glied, bevor ich euch die Haut abziehe!«, brüllte der Kapitän. »In Forma…«
Ein tiefes Rumpeln grollte über die Lichtung, und drüben bei den Fässern flammte ein helles Licht auf. Eine schwarze Rauchwolke stieg auf, und die Schreie von Menschen, die bei lebendigem Leib verbrannten, erfüllten die Luft.
Zorn flammte hinter der beherrschten Fassade des Kapitäns auf. Er bedachte Peter mit einem letzten Blick, in dem das Versprechen lag, ihn bezahlen zu lassen, dann hob er sein Schwert und rief:
»FUSSVOLK, EINWÄRTS! IM SCHNELLSCHRITT, BEVOR ALLES VERLOREN IST!«
Die Fleischfresser schienen Peter und seine Bande zu vergessen, zerstoben zu einem un geordneten Haufen und rannten zurück zu den Fässern.
Jubel erhob sich hinter Peter. Die Teufel verließen ihre Deckung, brüllten und krakeelten, schlugen ein und lachten wie Schuljungen.
»Wir haben’s geschafft«, sagte Peter atemlos. Er strengte sich an, mit den Augen den Rauch und die Flammen zu durchdringen, und suchte nach einem Zeichen von Sekeu und ihrem Trupp. Jetzt konnten sie nichts weiter für sie tun, als ihnen Glück zu wünschen.
»WEG!«
, rief Peter. »Zum roten Felsen.«
Wütende Schreie folgten Nick, als er sich durch das Gewirr von Wurzeln und Zweigen schlängelte. Er riskierte einen Blick über die Schulter und sah den in Flammen stehenden Abhang, einen schwarzen Rauchpilz und brennende Menschen, die die Finger ins eigene Fleisch krallten. Mindestens sechs Wachen hatten es durch die Flammen geschafft und rannten ihnen nun in nicht mal hundert Meter Abstand hinterher. Peter hatte gesagt, sie wären langsam.
Langsam muss in Avalon etwas anderes heißen
, dachte Nick, weil die Fleischfresser nämlich verdammt schnell vom Fleck kamen. Er hörte Rufe und sah einen weiteren Trupp von mindestens Dutzendstärke, der ihnen den Weg abschneiden wollte.
Nicks Fuß verfing sich in einer Wurzel, er stolperte und ging auf ein Knie nieder. Sekeu holte ihn ein und zerrte ihn wieder auf die Beine. Für den Bruchteil eines Augenblicks trafen sich ihre Blicke, und Nick sah ihr Lächeln, ein Lächeln, das ihm mehr wert war als jedes Lob, jedes Schulterklopfen und jeder Beifall. Es sagte ihm, dass er seine Sache gut gemacht hatte – nein, dass er sie großartig gemacht hatte und dass er jetzt dazugehörte. Sie versetzte ihm einen Stoß, um ihn anzutreiben, und zusammen rannten sie, so schnell sie konnten, auf den Waldrand zu. Nick stellte fest, dass er inmitten der Schreie, des Chaos und des Grauens um ihn herum grinste. Langsam gefiel ihm das Leben als Teufel, es gefiel ihm sogar sehr.
Blutrippe erreichte als Erster die Bäume. Leroy und Abraham trafen dicht hinter ihm ein, gefolgt von Sekeu und schließlich Nick. Letzterer verspürte Erleichterung, als er den Wald erreichte, doch als er auf Gestrüpp traf und die Ranken und Dornen sein Lauftempo verlangsamten, wandelte seine Erleichterung sich in Entsetzen um. Allzu bald hörte er, wie die Männer hinter ihm durch den
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