Der Kinderdieb
schmerzerfüllte Miene des Trolls und wurde langsamer.
Tanngnost wollte etwas sagen, aber offenbar war er lediglich zu einem Kopfschütteln in der Lage. Seine Augen sagten Peterohnehin alles, was er wissen musste. Als der Junge sich an ihm vorbeidrängte, packte der alte Troll ihn.
»Peter«, rief Tanngnost. »Peter, warte. Du solltest …«
Peter riss sich los und schob sich in die Halle. Er sah die Decken und das Blut auf dem Boden und an den Wänden. Er sah Sekeus kupferfarbene Hand, die sich unter den Laken hervorkrümmte, und fiel auf die Knie. Er griff nach der Hand, zögerte, weil er die Berührung fürchtete, und umfasste sie dann langsam. Sie war kalt.
»Sekeu«, flüsterte Peter und wollte ihr die Decke vom Gesicht ziehen.
Grille legte eine Hand auf die Decke. »Nein«, sagte sie streng.
»Peter«, sagte Tanngnost mit sanfter Stimme. »Es war die Finsternis. Sie hat Nick überwältigt. Es tut mir leid. Es ist einfach alles … so schnell passiert.«
»Die Finsternis?« Peter brachte die Worte nur mit Mühe heraus. »Nein, das ist unmöglich!«
Der Troll musterte ihn gequält. »Ich weiß, dass das schwer für dich ist. Aber … ich war dabei. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Wir haben es alle gesehen. Nick hat den Verstand verloren, Peter. Er hat Leroy angegriffen. Ich habe noch nie solche Raserei gesehen.«
»Aber wie ist das möglich?«, fragte Peter mir versagender Stimme. »Wie? Du warst doch dabei. Die Dame … sie hat ihn geheilt. Sie hat es ihm ausgetrieben. Du hast es selbst beobachtet. Sag mir, dass du es beobachtet hast!«
»Die Dame … sie ist geschwächt. Vielleicht hat es nicht vorgehalten. Vielleicht …« Tanngnost wirkte ratlos. »Peter, ich weiß es nicht. Ich wünschte, ich wüsste eine Antwort.«
»Nein.« Peter schüttelte den Kopf. »Nein, es ist nicht die Finsternis. Das glaube ich einfach nicht.«
Leroy stolperte zur Tür herein. Er hatte ihnen den Rückenzugekehrt und starrte auf etwas im Wald. Als er mit dem Rücken gegen die Tür prallte, schob er sie schnell zu und legte hektisch den schweren Riegel vor.
»Wo ist er?«, fragte Tanngnost.
Leroy zuckte zusammen, der Riegel glitt ihm aus den Händen und landete mit lautem Poltern auf dem Steinboden. Er wirbelte herum und sah sich gehetzt in der Halle um. Sein Blick fiel auf Sekeu, wanderte zu Peter, und plötzlich weiteten seine Augen sich vor Angst. Er wich zur Tür zurück. »Nick hat sie getötet!«
»Ja«, sagte der Troll. »Wo ist er hin?«
»Er ist im Wald«, erklärte Leroy hastig. »Ich habe versucht, ihn aufzuhalten … aber er hat ein Schwert …
sein
Schwert, und ich habe … ich hatte keins.« Leroys Blick wanderte immer wieder zu Sekeu. »Wenn ich eine Waffe gehabt hätte, hätte ich ihn aufgehalten. Ich habe es wirklich versucht.«
»Wo im Wald?«, drängte Tanngnost. »In welche Richtung ist er gelaufen?«
»Richtung Goggiebach.«
»Peter«, sagte Tanngnost. »Wir müssen ihn
sofort
einfangen. Auf der Stelle.«
Der Angesprochene antwortete nicht.
»Peter, begreifst du denn nicht? Wir dürfen nicht zulassen, dass er den Fleischfressern in die Hände fällt. Er weiß, wo der Teufelsbaum ist. Er weiß, wie viele wir sind und was wir vorhaben. Sie werden ihn zum Reden bringen. Er weiß, wo der Hort ist!«
Peters Blick heftete auf Sekeus langes schwarzes Haar, das unter der Decke hervorschaute. Er berührte es und ließ die Finger durch die Strähnen gleiten.
Sekeu, wie nur?
Blutrippe brachte Peter einen Speer. Die Teufel hatten sich hinter ihm aufgestellt. Sie wirkten besorgt, aber kampfbereit. »Wir sind so weit«, sagte Blutrippe. »Peter?«
»Geht einfach«, sagte Tanngnost zu dem Trupp und trieb sie Richtung Tür. »Beeilt euch, bevor es zu spät ist. Nehmt alle mit. Ihr werdet jedes Augenpaar brauchen können. Danny, Grille, ihr auch.« Er nahm zwei Speere aus ihren Wandhalterungen und drückte sie ihnen in die Hand. »Geht kein Risiko ein. Denkt dran, derjenige, den ihr jagt, ist nicht mehr Nick. Er ist nicht euer Freund. Nick ist fort – das, was von ihm übrig ist, ist ein Monster.« Er hob die Stimme. »Wenn ihr ihn seht, tötet ihn. Was auch immer geschieht, lasst nicht zu, dass er den Fleischfressern in die Hände fällt.«
Peter hörte all das nur wie aus weiter Ferne.
Der Troll setzte sich neben den Kinderdieb.
Peter streichelte noch immer Sekeus Haar, während seine Gedanken sich überschlugen.
Wie konnte ich das nur zulassen?
Er legte eine Hand an seine Schläfe.
Weil ich
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