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Der Kinderdieb

Titel: Der Kinderdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
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Anlage, und Nick sah zum ersten Mal das Dorf. Die Hütten waren kaum mehr als Verschläge, die aus Strohdächern, bröseliger Grasnarbe und Holzwänden bestanden. Hier und da gab es ein paar spärlich bewachsene, welke Gemüsegärten. Nick bemerkte eine Leine mit getrockneten Fischen und schaute noch einmal hin: Dort, zwischen den Fischen, hingen mehrere ausgeweidete Pixies mit aufgespannten Bauchdecken. Wo Nick auch hinblickte, entdeckte er Kreuze: große, kleine, aus Zweigen, aus Dornen, aus Knochen, weiß, rot oder schwarz angemalt, mit angenagelten oder festgebundenenHaaren, Borten, Muscheln oder Schädeln verziert. Sie ragten aus dem Boden, hingen von den Dachfirsten, an den Wänden und in jeder Tür.
    Die meisten Männer wurden entlassen und schlurften davon, nur eine Handvoll Wachen blieb bei den Gefangenen und führte sie in die Mitte der Anlage.
    Eine Frau spähte aus einem düsteren Türrahmen zu Nick heraus. Als ihre Blicke sich begegneten, hob sie ihr Kruzifix, bekreuzigte sich und zog sich wieder in die Schatten zurück. Sie wartete, bis der Trupp vorbei war, und folgte ihnen dann. Nach kurzer Zeit schlichen ihnen mehrere Frauen hinterher, sorgfältig darauf bedacht, ausreichend Abstand zu halten. Die verschrumpelten, schwarzhäutigen Gestalten sahen für Nick alle gleich aus. Sie trugen ausgebleichte, langärmelige, knöchellange Kleider, ihre strähnigen Haare waren unter Hauben verborgen, und ihre weit aufgerissenen roten Augen wirkten unheilverkündend.
    Der Kapitän ließ sie vor einem Gebäude mit einem krummen Kirchturm anhalten. Es war einmal weiß gestrichen gewesen, doch inzwischen waren die Holzleisten ausgeblichen und ebenso grau und verschmiert wie alles andere in der Feste. Der Kapitän ließ seine Gefangenen bei den Wachen auf dem Hof stehen und betrat das Gebäude.
    Während sie warteten, sammelte sich eine Schar von Fleischfressern um sie, die sie anstarrten, mit den Fingern auf sie zeigten und leise miteinander tuschelten. Sie hielten Abstand, und ihre Blicke waren voller Hass und Angst, bis sich schließlich eine Frau nach vorne schob. Um den Hals trug sie Dutzende von kleinen, aus Zweigen gefertigten Kreuzen. Anders als die anderen Frauen hatte sie offenes Haar, das ihr ins Gesicht hing. Sie zeigte mit einem langen, gekrümmten Finger auf Peter. »Er ist’s!«, schrie sie mit kratziger Stimme. Sie ging auf Peter zu und spuckte ihm ins Gesicht.
    Als die Frau nicht wie erwartet in Flammen aufging, wurde die Menge kühner und spottete lauter und lebhafter. Jemand warf einen Klumpen Dreck nach Peter und traf ihn mitten ins Gesicht. Bald hagelte es von allen Seiten Dreck. Eine Frau schob sich an den Wachen vorbei und schaffte es, Peter mit den Fingernägeln die Wange zu zerkratzen, bevor es ihnen gelang, sie wegzustoßen. Nick spürte, wie sich ihm harte Finger in den Arm bohrten, und starrte plötzlich in das eine wütende Auge eines Buckligen. »Dämonen!«, fauchte er. »Dämonen seid’s alle!«
    Kaum hatte ein Wachmann den Buckligen weggestoßen, als auch schon eine Frau sich vordrängte, Peter bei den Haaren packte und seinen Kopf hin und her riss. »Hast mir den John fortgenommen! Zahlen sollst du! Die Hand des Herrn wird dich strafen!«
    Zwei Wachen waren nötig, um sie wegzuziehen.
    Die Menge brandete ihnen entgegen, und es kam zu Handgemengen mit den Wachen. Die Männer konnten die anderen Fleischfresser irgendwann nicht mehr zurückhalten, und Nick begriff, dass die wütende Meute ihn totprügeln würde.
    Da durchschnitt eine Stimme den Tumult wie ein Pistolenschuss. »
DAS REICHT!
Alle miteinander,
SCHLUSS JETZT!
«
    Die Leute drehten die Köpfe, und der Ansturm der Menge kam ins Stocken.
    »Beiseite«, befahl die Stimme.
    Die Menge brummte, zog sich aber wie befohlen zurück. Nick sah die Spitzen von drei schwarzen Hüten, deren Träger sich einen Weg in ihre Richtung bahnten. Die Menge teilte sich, und die drei Männer traten, gefolgt von dem Kapitän, zielstrebig direkt vor sie. Zwei von ihnen trugen Umhänge und lange Mäntel. Sie hatten hohe, breitkrempige Filzhüte auf dem Kopf, die Nick an frühe Pilger erinnerten, und beide hattenschwarze Holzkreuze um den Hals. Der dritte überragte die anderen mindestens um Haupteslänge. Es handelte sich um einen kahlköpfigen Hünen mit kantigem Kinn. Er trug einen Metallkragen, Stahlarmbänder und ein nietenbesetztes Lederwams.
    Einer der drei Männer trat vor und musterte Peter von Kopf bis Fuß. Seine eine Gesichtshälfte war

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