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Der Kinderdieb

Titel: Der Kinderdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
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wissen beide, dass die Dame den Schlüssel dafür besitzt. Wenn wir ihrem Zauber ein Ende bereiten können, wird der Nebel sich auflösen, und wir können endlich aus dieser Hölle entkommen. Ich habe dir ja schon von meinen Söhnen erzählt. Der Älteste war etwa so alt wie du, als ich von zu Hause weggegangen bin. Du erinnerst mich sehr an ihn. Ich kann nicht anders, als dir zu helfen. Daniel, wenn du mich unterstützt, dann verspreche ich dir, dass wir zusammen von dieser Insel runterkommen.« Der Kapitän legte dem Jungen eine Hand auf den Arm. »Willst du mir helfen, die Dame zu finden?«
    Danny nickte stumm, dann presste er sich an den Kapitän,schlang ihm die Arme fest um den Rumpf, drückte das Gesicht an seine Brust und fing an zu schluchzen.
    Jahrzehnte waren vergangen, seit jemand den Kapitän umarmt hatte. Als sich nun dieser fremde Junge an ihm festklammerte, genau wie seine eigenen Söhne es früher getan hatten, fühlte er sich zugleich überwältigt und betrübt.
Diesen Jungen kriegen die Prediger nicht
, dachte er.
Eher töte ich jeden einzelnen von ihnen
.
     
    Nick saß mit Leroy und Blutrippe in einem Käfig, direkt neben einem kleinen, dunklen Teich. Bei dem Käfig handelte es sich eher um eine Art Korb, der aus langen Borken- und Bambusstreifen und einigen Zweigen geflochten war. Er hing etwa einen Meter über dem Boden an einem hohen, mit einem Gegengewicht versehenen Pfosten. Die Dörfler hatten sich nicht dazu herabgelassen, ihnen Wasser zu geben, aber sie hatten ihnen immerhin die Fesseln von den Handgelenken gelöst. Nick rieb sich die wunden Stellen und drückte sein Gesicht an das Korbgeflecht. Er konnte über die Menge hinweg bis zum Dorfplatz sehen, wo Peter schlaff am Kreuz hing. Sie hatten ihn so lange gebrandmarkt, bis er aufgehört hatte, sich zu bewegen, was bedeutete, dass er entweder bewusstlos oder tot war. Nick hätte nicht sagen können, welche der beiden Möglichkeiten vorzuziehen war.
    Inzwischen hatte die Menge sich beim Teich versammelt. Die Gesichter, die Nick entgegenstarrten, waren angespannt und erwartungsvoll. Viele sahen aus, als gelüstete es sie nach mehr Leid, andere wirkten total verstört. Nick holte tief und zitternd Luft, in dem Bewusstsein, dass
er
nun die Hauptattraktion war. Er stellte fest, dass er am ganzen Leib schlotterte, allerdings nicht, weil ihm kalt war.
    Als Blutrippe leise stöhnte, beugte Nick sich zu ihm rüber. »Halt durch, Mann.«
    Eines von Blutrippes Lidern hob sich flatternd. Er brachte einschwaches Lächeln zustande, nicht mehr als ein Anflug seines alten, wilden Grinsens. Dann fielen ihm die Augen zu. Nick hätte ihn für tot gehalten, hätte seine Brust sich nicht leicht gehoben und gesenkt.
    »Was machen sie jetzt mit uns?«, fragte Leroy mit hoher, angespannter Stimme.
    Es schien weniger eine Frage zu sein, sondern mehr ein Schwall Worte, der aus einem verängstigten Jungen hervorbrach. Nick hätte am liebsten so getan, als wüsste er es nicht, doch er wusste es ganz genau. Der Prediger hatte gesagt, dass man sie untertauchen würde. Alles Weitere war nicht schwer zu erraten. Er wollte sich nicht ausmalen, wie es sein würde, wenn man sie mit diesem Korb ins dreckige Tümpelwasser hinabsenkte. Ob es wehtat, zu ertrinken?
    Der Älteste trat an den Korb heran, eine zerfledderte Bibel in der einen, seinen Stab in der anderen Hand, und wandte sich der Menge zu.
    »Lasset uns beten«, stimmte er an, und Schweigen senkte sich über die Menge. »Herr, wir danken dir für das Vertrauen, das du in unsere Hände gelegt hast. Gib uns die Kraft, deinen Willen zu tun. Segne diese Kinder und gib ihnen Kraft für die Prüfungen, die ihnen bevorstehen. Amen.«
    »Amen«, murmelte die Menge.
    Der Prediger legte die Bibel an den Käfig und schloss sein gesundes Auge. Die Menge verstummte erneut. »Dämon«, rief er nun mit strenger, tiefer Stimme. »Höre mich, denn ich rufe dich im Namen unseres Herrn des Allmächtigen. Verlasse diese Kinder. Kehre in den Schlund der Hölle zurück, dem du entstiegen bist.« Langsam hob er den Kopf, öffnete das Auge und starrte die Jungen finster an.
»DÄMON!«,
kreischte er dann mit zorniger Stimme, und Speichel flog von seinen Lippen. »
VERLASSE DIESE KINDER!
Ich gebiete es dir im Namen unseres Vaters im Himmel!«
    Auf Nick wirkte es, als wäre der Prediger der Besessene. Der Mann schlug mit seinem Stab an den Korb und richtete den fanatischen Blick seines aufgerissenen Auges auf Nick.
    »Ich sehe dich, Dämon!

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