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Der Kinderdieb

Titel: Der Kinderdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
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packte das Tier fest bei der Mähne, biss ihm ins Ohr und schüttelte wild knurrend den Kopf, bis es abriss.
    Der Wolf jaulte, trat um sich und drehte sich um seine eigene Achse.
    Der Moosmann ließ los und schickte das winselnde Tier mit einem kräftigen Tritt ins Hinterteil zurück in die Büsche. Dann spie er das Ohr aus, schaute zu Peter und leckte sich das Blut von den Lippen.
    »Ein Baby«, sagte er und hob einen Zweig auf, um Peter damit anzustupsen. »Gibt guten Eintopf. A-yuk.« Seine Worte kamen langsam und abgehackt, als ob er normalerweise nicht spräche.
    »Bitte friss mich nicht«, flehte Peter. »Bitte. Ich bin auch ganz brav.«
    Der Moosmann hob verwirrt die Brauen und zog sie dann misstrauisch zusammen. »Baby kann sprechen?« Er ging in die Hocke, steckte seine breite, flache Nase in Peters Halsbeuge und schnüffelte laut. Aus der Nähe konnte der kleine Junge sehen, dass dem Mann allerlei Käfer und Würmer durchs Haar krochen. Der Moosmann wirkte verwirrt. Er strich mit einemFinger über die blutigen Bissspuren an Peters Bein und schmierte sich etwas von dem Blut auf die Zungenspitze. Die runden Augen des Moosmanns weiteten sich, und er spie angewidert auf den Boden.
    »Feenblut!«, zischte er. »Feenblut ist schlecht. Sehr schlecht!« Er ließ die Schultern sacken, und ein trübseliger Ausdruck trat auf sein Gesicht. »Kann Baby nicht essen.«
    Der Moosmann bückte sich, um das Wolfsohr aufzuheben, schob sich das blutige Ende in den Mund und ging davon.
    Einen Moment lang war Peter erleichtert, dass der Moosmann sich davonmachte, doch dann erinnerte ihn die beißende Kälte daran, dass er nackt und gefesselt war und dass nicht weit entfernt ein hungriger Wolf lauerte.
»WARTE!«,
schrie er. »Lass mich nicht hier zurück!«
    Der Moosmann blieb nicht stehen.
    »BITTE!«,
schrie Peter.
»BITTE ANHALTEN! BITTE!«
Seine Schreie gingen in ein Schluchzen über. »Bitte geh nicht fort.«
    Der Moosmann drehte sich um. Er schaute zu Peter und kratzte sich am Kinn. Nach einer ganzen Weile fragte er schließlich: »Kannst du Spinnen fangen?«
    »Wie?«, fragte Peter.
    »Kannst du Spinnen fangen? Viele Spinnen in Höhle. Hasse Spinnen. A-yuk.«
    Peter wollte nicht das Geringste mit Spinnen zu tun haben, aber noch weniger wollte er hier im Wald zurückbleiben. Also nickte er. »Ja, ich kann Spinnen fangen.«
    Der Moosmann überlegte, während Peter vor sich hin schlotterte. Schließlich schnaubte er, schlurfte heran und band den Säugling los. »Kein Geschrei mehr. Du folgst. Nicht zurückbleiben, sonst kriegt dich Wolf.«
    Peter kam mühsam auf die Beine. Seine Füße waren so taub, dass er sich kaum aufrecht halten konnte. Der Moosmann legteein ordentliches Tempo vor, und Peter, der ihm folgen wollte, fiel nach ein paar Schritten hin. Die gefrorene Erde stach ihn in Knie und Hände, und er schrie auf. Er erhob sich und setzte noch einmal an, doch das Eis zerschnitt ihm die empfindlichen Fußsohlen. Nach etwa einem Dutzend Schritte fiel er erneut hin. Er versuchte es mit Kriechen, doch als er die Schmerzen nicht mehr ertrug, hielt er inne. Der Moosmann war außer Sicht. Es war dunkel und kalt, und er hatte keine Ahnung, wo er war. Seine Knie bluteten, er war nackt und am Erfrieren, und irgendwo in der Nähe war ein Wolf. Peter fing an zu weinen.
    Der Moosmann kehrte zurück und schaute den Jungen aus seinen kleinen, dunklen Augen finster an. Angeekelt rümpfte er die Nase. »Nicht weinen. Hasse weinen.«
    Peter wollte aufhören, doch es gelang ihm nicht. Stattdessen heulte er umso lauter los.
    Der Mann presste sich die Hände auf die Ohren. »Aufhören«, stöhnte er und wandte sich zum Gehen. Nach ein paar Metern hielt er inne. Mit zusammengezogenen Brauen blickte er sich zu Peter um. Schließlich seufzte er schwer und schlurfte zurück zu dem Säugling. »Gut, gut. Ich geh nicht. Jetzt hör weinen auf.«
    Peter heulte weiter.
    Der Moosmann zeigte auf den Hügel hinter ihnen. »Golls Hügel.« Dann klopfte er sich mit dem Daumen an die Brust. »Goll.«
    Peter wischte sich mit dem Unterarm über die Nase und hielt die Tränen zurück. »Ich bin Peter«, sagte er und holte tief und schluchzend Atem.
    Goll hockte sich hin. »Komm, Peter. Steig auf.«
    Peter kletterte dem Mann auf den Rücken, hielt sich an seinen Haaren fest und drückte sich an ihn.
    Goll erhob sich und reichte Peter das Wolfsohr. »Hier, für dich.« Mit großen, warmen Händen umfasste er Peters Füße,und dann waren sie auch schon

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