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Der Kinderdieb

Titel: Der Kinderdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
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unterwegs und folgten dem vereisten Pfad den Hügel hinauf, während der Junge auf dem Wolfsohr herumkaute.
    Sie erreichten eine dunkle Erdhöhle unter einem Vorsprung, die für Peter nach kaum mehr als einem Loch aussah. Dreckiges Stroh, klebrige Fellbüschel und abgenagte Knochen lagen auf der ausgetretenen Erde vor dem Eingang. Im Eingang hingen Schuhe, insgesamt ein Dutzend Sandalen und Stiefel. Es handelte sich um kleine Schuhe – Kinderschuhe.
    Goll setzte Peter ab und grinste. »Golls Zuhause. Sehr warm. Sehr hübsch.«
     
    »Wo zum Teufel hast du gesteckt?«
    Der Kinderdieb schreckte auf, als eine Stimme ihn in die Gegenwart zurückrief. Er warf einen Blick über die Schulter in die Wohnung. Inzwischen brannte Licht, und durch den dünnen, durchhängenden Vorhang sah er eine abartig große Frau in BH und Höschen, die die Hände in die Hüften gestemmt hatte. Ihre Worte richteten sich an den Mann, der in der offenen Wohnungstür lehnte.
    Ein leichter Nieselregen fiel, der dem grauen Gebäude die Farbe von Schlamm verlieh.
    »Ich habe dir eine Frage gestellt«, fuhr die Frau mit erhobener Stimme fort. »Ich sagte, wo zum Teufel hast du dich die ganze Nacht rumgetrieben, du Dreckskerl?«
    Der Mann zuckte mit den Schultern und blieb in der Tür stehen.
    »Warum hast du dein Hemd falsch rum an, Germaine? Hä? Wie kommt das?«
    Germaine schaute auf sein Hemd herab und dann wieder zu der Frau. Erneut zuckte er mit den Schultern.
    »Du warst wieder bei dieser Schlampe. Hab ich recht?«
    Der Mann gab keine Antwort.
    »Glotz mich nicht so an«, kreischte sie. »Du weißt genau, wovon ich rede!« Die Frau nahm eine Flasche von einem Tablett beim Fernseher und richtete sie auf den Mann.
    »Frau«, sagte der Mann mit schleppender Stimme, »beruhig dich erst mal. Es ist nicht so, wie …«
    »Scher dich zum Teufel, Germaine!
SCHER DICH ZUM TEUFEL!
« Sie warf die Flasche, die direkt neben dem Kopf des Mannes an der Tür zerschellte. Dann ohrfeigte sie ihn.
    Der Mann stieß sie von sich. »Schluss damit, du Schlampe! Beruhig dich erst mal …«
    Sie attackierte ihn erneut, und dieses Mal schlug er ihr fest in den Bauch, so fest, dass sie zurück ins Wohnzimmer taumelte und zu Boden ging. Dort blieb sie liegen und gab scheußliche Geräusche von sich, als ersticke sie.
    »VERRÜCKTE SCHLAMPE!«,
brüllte der Mann.
»VERRÜCKTE DRECKSSCHLAMPE!«
Damit schlug er die Tür zu und war fort.
    Die Frau stand nicht auf. Sie lag einfach nur da, hielt sich den Bauch und weinte.
    Peter hatte genug. Er sprang vom Balkon. Mit eingezogenem Kopf ging er zwischen den Gebäuden umher, spähte mit goldenen Augen unter seiner Kapuze hervor und suchte die Höfe und Spielplätze ab. Immer wieder kehrten seine Gedanken zum Kapitän und zu den Fässern zurück. Die Zeit wurde knapp. Noch heute musste er ein Kind finden.

 

     
KAPITEL 5
Die Teufel
     
    Ein leichter, warmer Regen tröpfelte Nick aufs Gesicht. Die Feuchtigkeit rann ihm in die Augen, in den Mund, ins Haar und weckte ihn aus seinem tiefen Schlaf. Er wischte sich übers Gesicht, zwang sich, die Augen zu öffnen, und blinzelte ins schwache, dunstige Morgenlicht.
    Drei winzige blaue Gestalten, nicht größer als Mäuse, pinkelten auf sein Gesicht.
    »He, was soll das?«, schrie Nick. Er setzte sich ruckartig auf und stieß sich den Kopf an der Decke seines Käfigs.
Käfig?
Er spuckte mehrmals aus in dem Versuch, den salzig-säuerlichen Geschmack aus seinem Mund zu kriegen. Warum zum Henker saß er in einem Käfig? Er schüttelte den Kopf, wischte sich die Pisse aus den Augen und spuckte erneut aus.
    Mindestens zwei Dutzend der kleinen Wesen starrten auf ihn herab. Einige von ihnen waren nicht größer als Grashüpfer, andere eher rattengroß. Es handelte sich um dürre, menschenähnliche Gestalten mit matt schimmernden Insektenflügeln und spitzen Peitschenschwänzen. Sie waren nackt, und ihre Haut war von einem tiefen Saphirblau. Wilde, schwarze und blaue Haarmähnen fielen ihnen weit in den Nacken.
    Peter hatte ihm etwas von Feen, Elfen und Kobolden erzählt. Andererseits hatte der Kerl einen Haufen verrücktes Zeug von sich gegeben. Waren das Feen? Oder eher Pixies? Derzeit war es Nick eigentlich egal. Er machte sich mehr Gedanken darüber, wie diese Wesen ihn anstarrten, nämlich so, als ob er eine treffliche Mahlzeit abgäbe.
    »Kusch«, machte er leise.
    Sie starrten ihn weiter aus grausamen, unbewegten Augen an.
    »Kusch«, sagte er lauter und wedelte mit der Hand.
    »Ab!

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