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Der Kinderdieb

Titel: Der Kinderdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
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Kinn und einen kräftigen Körperbau. Irgendwie erinnerte er Nick an eine Bulldogge.
    Flitz schob sich ein Büschel seiner blonden Haare aus dem Gesicht und schaute zu Nick herab. Er war fast so groß wie Blutrippe, sein Unterkiefer stand leicht vor, und er hatte buschiges, langes, fettiges Haar. Knochen- und Metallstückchen steckten ihm in den Ohren, den Augenbrauen und den Brustwarzen und wahrscheinlich auch sonst wo – so genau wollte Nick es gar nicht wissen.
    Dirk und Flitz neigten die Köpfe abwechselnd zur einen und zur anderen Seite und klapperten mit den Zähnen.
    »Nein«, sagte Sekeu und gab Flitz einen Klaps auf den Kopf.
    Dirk schnaubte.
    »He«, sagte Flitz und zeigte mit dem Daumen auf seinen Kumpanen. »Was ist mit ihm?«
    Sekeu gab Dirk einen Klaps. Daraufhin runzelte Dirk dieStirn und schubste Flitz. Im nächsten Moment prügelten die beiden aufeinander ein, und Blutrippe und Abraham mussten sie voneinander trennen.
    Ohne auf das Gerangel zu achten, zog Sekeu einen Korb mit räudig aussehenden Fellen herbei. Sie überreichte den Neuen jeweils eines. »Zieht das hier an.«
    Nick hielt das Fell vor seinen Körper. Er war sich nicht sicher,
wie
man so etwas anzog.
    »Steck einfach den Kopf durch das Loch da«, sagte Abraham. »Die sind zur Tarnung.«
    Wovor müssen wir uns denn verstecken?
, dachte Nick, aber er traute sich nicht zu fragen.
    Als Nick das Fell zurechtgerückt hatte, gab Sekeu ihm einen Gürtel. Das Ding sah uralt aus, das Leder war schon ganz rissig und abgeplatzt. Es war ein breiter, mit angelaufenen Kupferringen besetzter Gürtel. Nick fielen die fein gearbeiteten Spiralmuster auf, die in den Jahren schlechter Behandlung fast bis zur Unkenntlichkeit abgewetzt worden waren.
    »Das Recht, ein Schwert zu tragen, müsst ihr euch verdienen«, erklärte Sekeu und nahm vier Speere von der Wand. »Fürs Erste sind euch Speere gestattet.«
    Nick fiel auf, dass die Teufel lange Messer im Gürtel und Schwerter auf dem Rücken trugen. Dirk und Flitz hatten ebenfalls Speere.
    Sekeu warf Nick eine der Waffen zu. Sie war schwerer als die Übungsspeere, der Schaft war etwas dicker, doch sie lag glatt und gut in der Hand. Andächtig betrachtete er die scharfe, gezahnte Spitze.
    Danny musterte seinen Speer mit säuerlicher Miene. »Wofür brauchen wir die?«
    Nick hätte diese Frage ebenso gut beantworten können, er musste nur an die Klauenspuren an der Tür denken.
    »Falls wir angegriffen werden«, sagte Sekeu.
    »Angegriffen?«, stammelte Danny. »Wie? Wovon?«
    »Von Monstern«, sagte Blutrippe mit ernstem Blick.
     
    Sekeu schob den Riegel beiseite und zog die schwere, runde Tür nach innen auf.
    Zu seiner Überraschung stellte Nick fest, dass er es kaum erwarten konnte, rauszugehen. Als er zum letzten Mal draußen gewesen war, war es zu dunkel gewesen, um irgendwas zu erkennen, und als er vor ein paar Tagen zur Tür hinausgespäht hatte, hatte er viel zu viel Angst gehabt, um weiter zu gucken, als sein Schatten reichte. Doch jetzt, wo die Teufel dabei und sie alle bis an die Zähne bewaffnet waren, hatte er keine Angst. Stattdessen verspürte er ein seltsames Gefühl der Erregung.
    Er schaute zu Blutrippe, Sekeu, Abraham, Dirk und Flitz. Sie wirkten wachsam, gefährlich. Ihnen wäre er nicht gern im Wald über den Weg gelaufen.
    Sie gingen in einer Reihe – Nick folgte Blutrippe. Er holte tief Luft, und der modrige Geruch feuchter Erde stieg ihm in die Nase. Er spähte an dem hochgewachsenen Jungen vorbei, begierig darauf, mehr vom Wald zu sehen.
    Hinter ihnen schlug die Tür zu, und der schwere Riegel wurde geräuschvoll vorgeschoben. Nick starrte die tiefen Klauenspuren in der Tür an und schluckte laut. Er blickte auf und begriff, dass die Feste – oder zumindest ein Teil davon – sich tatsächlich in einem Baum befand, einem riesigen Baum, der offenbar direkt aus dem kahlen Steinhang wuchs. Die dicken Wurzeln und Ranken schlangen sich wie die Arme eines gewaltigen Kraken um die Felsbrocken. Der Baum ragte weit über ihnen auf, und in den Ästen konnte Nick hier und da Hochsitze für Spähposten ausmachen.
    Sie stiegen einen kleinen Hang hinauf, von dem aus Nick das Land Avalon zum ersten Mal bei Licht betrachtete. Er hättenicht sagen können, womit er gerechnet hatte, aber das, was er vor sich sah, entsprach dem sicher nicht.
    Alles war von Grau durchtränkt und erschien trist und verfallen, wie die Haut von etwas, das schon lange tot war. Wo war das dichte, blühende Unterholz, wo

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