Der Kinderdieb
geht?«
»Wisst ihr«, sagte Flitz, »Peter sollte eigentlich längst zurück sein.«
»Hoffen wir einfach, dass er sich nicht in eine Lage manö vriert hat, aus der er nicht wieder rauskommt«, sagte Abraham.
»Der Kerl kann sich aus allem rausmanövrieren, Alter«, sagte Blutrippe.
»Ich hoffe nur, dass er diesmal mehr Snickers mitbringt«, sagte Flitz.
»Mann, es gibt nicht viel, was ich an der Menschenwelt vermisse«, sagte Blutrippe. »Aber ganz ehrlich, das Essen fehlt mir schon. Erinnert ihr euch noch daran, wie Peter mal sechs Schachteln Ray’s Pizza mitgebracht hat?«
»Ob ich mich daran erinnere?«, sagte Abraham, und ein breites Lächeln ließ sein Gesicht erstrahlen. »Ich träume fast jede Nacht davon.«
Danny machte große Augen. »Pizza! Das würde mich für die nächsten zehn Jahre glücklich machen.«
»Sag bloß, dir hängen die Eicheln und Pilze schon zum Hals raus«, sagte Blutrippe und stieß Danny in die Seite. »Mann, wenn du erst mal so lange hier bist wie ich, kannst du anfangen, dich übers Essen zu beschweren.«
»Also, wo
ist
Peter?«, fragte Nick.
»Kinder fangen«, sagte Blutrippe lachend.
Nick konnte kaum fassen, dass die anderen darüber lachten. »Und das ist lustig?«
Blutrippes Grinsen verblasste.
»Es ist nicht richtig«, brummte Nick halblaut.
»Was ist nicht richtig?«
Nick antwortete nicht, sondern schüttelte nur den Kopf.
»Ich hab gefragt, was nicht richtig ist.«
»Was denkst du denn?«, erwiderte Nick. »Dass dieser Mistkerl Kinder entführt. Das ist nicht richtig.«
Blutrippe schlug Nick. Er bewegte sich so schnell, dass Nick den Schlag nicht mal kommen sah, traf ihn vor der Brust und schleuderte ihn in den Bach.
Innerhalb eines Sekundenbruchteils war Abraham aufgesprungen, stand zwischen den beiden und hielt Blutrippe zurück. »He. Ganz ruhig. Lass ab. Er ist ein Neuer, schon vergessen?«
Blutrippe warf Nick einen finsteren Blick zu und schaute sich dann zu den anderen Neuen um. »Damit eins klar ist: Ich will keinen von euch dabei erwischen, wie ihr schlecht über
den Chef
redet. Die Nummer läuft bei mir nicht.« Er ging zu Nick, packte ihn am Kragen und zog ihn aus dem Bach. Dann setzte er ihn wieder auf seinen Felsen, ließ sich ihm gegenüber nieder, beugte sich vor und fixierte ihn mit seinem verrückten Blick.
»Du musst ein paar Dinge begreifen«, erklärte Blutrippe. »Also, ich sag dir jetzt, was Sache ist. Bevor ich hierhergekommen bin, habe ich oben bei meinem alten Herrn gelebt. Irgendwann war ich’s leid, dass der elende Scheißkerl mich jeden zweiten Tag grün und blau geschlagen hat. Also hab ich mich davongemacht und bin in die große Stadt gegangen. Es dauerte keine Woche, bis ich in einem Pappkarton geschlafen und gestohlen habe und obendrein für etwas zu essen auf den Strich gegangen bin. Hast du eine Ahnung, wie schlimm das ist? Ich musste Dinge tun, über die ich bis heute nicht reden kann. Ich war damalsdreizehn. Mann, ey,
dreizehn!
Eines Nachts hat mich dieser Zuhälter in die Finger gekriegt. Der Mistkerl meinte, wenn ich auf
seiner
Straße arbeiten will, muss ich zahlen.
Zahlen?
Womit? Ich hatte nicht mal genug Knete, um mir was zu essen zu kaufen. Wie sollte ich da einen Zuhälter bezahlen? Also tat ich es nicht. Natürlich hat er mich erwischt und mich grün und blau geschlagen. Am Ende lag ich Blut spuckend in einem Müllcontainer. Mann, ich wollte nur noch sterben. Eine Woche später war ich wieder anschaffen, weil mir sonst einfach nichts anderes übriggeblieben ist, verstehst du? Nur, dass jetzt plötzlich keiner mehr was mit mir zu tun haben wollte. Weißt du auch, warum?«
Blutrippes Blick bohrte sich in Nicks Augen.
»Weil ich einen ekligen Schorf am Mund hatte und überhaupt ziemlich übel zugerichtet war. Also hab ich in erster Linie geklaut und aus Mülltonnen gegessen. Der Volldepp hat mich dann wieder in seinem Revier entdeckt. Ich war nicht mal anschaffen. Ich war einfach nur in der Gegend. Das war diesem Dreckskerl aber egal. Er hat mich in eine Seitengasse gezerrt, mir Müll in den Mund gestopft, damit mich niemand schreien hört, und sein Messer gezogen. Meint, dass er mir jetzt endgültig den Rest gibt, und versetzt mir die hier.«
Blutrippe fuhr mit dem Finger über die Narbe in seinem Gesicht.
»Er hätte mich umgebracht, aber dann kam Peter. Du weißt schon, der Kerl, den du gerade beleidigt hast. Bevor dieses Arschloch wusste, wie ihm geschah, hatte Peter ihn von oben bis unten aufgeschlitzt. Er
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