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Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)

Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harvey
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Bahngelände.«
    »Na also. Darauf sollten Sie sich konzentrieren, statt uns durch die Gegend zu jagen und nach der Nadel im Heuhaufen suchen zu lassen.«
    »Hebden Bridge« stand auf dem Schild. »Zentrum der Penninen«.
    Anderswo begann der Tag gut. Ein Nachbar der Morrisons, acht Häuser weiter, rief die Dienststelle an und berichtete dem diensthabenden Sergeant Näheres über den Lieferwagen, den Transit, der vor seinem Haus gestanden hatte. Zwei Handwerker hatten im Haus gearbeitet; am Samstag hatten sie die Tapete im Wohnzimmer heruntergerissen und die Wände für einen neuen Anstrich vorbereitet. Sie hatten den Wagen über den Sonntag stehen gelassen und waren am Montagmorgen wiedergekommen.
    Divine stöberte die beiden über eine Kontaktnummer auf, zwei Schwarzarbeiter, eigentlich bei einer großen Baufirma angestellt, die derzeit eines der viktorianischen Fabrikgebäude am alten Lace Market sanierte, wo exklusive Eigentumswohnungen und Büroflächen entstehen sollten. Im Souterrain hatte der einstige Fabrikbesitzer eine Kapelle errichten lassen und seine Arbeiter dafür bezahlt, dass sie jeden Morgen zwischen sieben und halb acht den Gottesdienst dort besuchten. Dem neuen Bauherren schwebten stattdessen eine Squashhalle und eine Sauna vor.
    »Ja«, bestätigte einer der beiden Männer, »ein alter grünerLieferwagen. Das ist unserer. Gibt doch hoffentlich kein Problem, oder? Ich meine, mit der Steuer.«
    »Wir hatten da draußen einen Job«, sagt der andere, »eigentlich war’s mehr eine Gefälligkeit. Freund von einem Freund. Hey, Sie brauchen doch dem Finanzamt nichts davon zu sagen, oder?«
    Graham Millington wollte gerade zu seinem Wagen, um den Kollegen bei der Haus-zu-Haus-Befragung mal ein bisschen Beine zu machen, als der Constable ihn zurückrief. Eine Mrs McLoughlin, die sich ziemlich verzweifelt anhörte, wollte mit jemandem reden, der zum Ermittlungsteam gehörte. Aber nicht mit jedem x-Beliebigen.
    Moira McLoughlin wartete schon hinter der Tür, als Millington kam. Ein Haus wie das der Morrisons, nur zwei kurze Straßen entfernt, in das sie Millington hastig hineinzog. Sie war eine ungewöhnlich kleine Frau mit geschwollenen Beinen, dünnen Locken, die einer Dauerwelle zu verdanken waren, und einem beigefarbenen hochgeschlossenen Kleid.
    »Es handelt sich um das vermisste kleine Mädchen?«, fragte Millington.
    »Bitte, kommen Sie mit ins andere Zimmer«, drängte sie ihn ängstlich mit zitternder Stimme.
    Sie nahmen in einer Sitzecke mit Dralonbezügen Platz, die Stehlampe brannte, die Vorhänge waren zugezogen, und das morgens kurz vor elf.
    »Es geht um den Wagen«, sagte Moira McLoughlin.
    »Um welchen Wagen?«
    »Um den, der drüben in der Straße bei den Morrisons stand. In den Nachrichten wurde danach gefragt.«
    »Ach, um den PKW mit Heckklappe? Den Nova?«
    Sie nickte, den Kopf vorstoßend wie ein pickendes Huhn.
    »Was ist mit dem Fahrzeug?«
    Die Frau hielt die Finger einen Moment steif aneinandergepresst, dann knickten sie ein und verhakten sich ineinander – ein wirrer Knoten aus geschwollenen Knöcheln und Ringen. »Wir haben das Auto dort geparkt.« Sie vermied es peinlich, Millington anzusehen. »Wir wollten es nicht hier vor der Tür abstellen.«
    »Wir?«
    »Er. Mein … Freund.«
    Allmächtiger, dachte Millington, darum geht’s also. Sie geht fremd.
    »Er ist nur ganz selten hierhergekommen, und wenn, dann hat er das Auto immer woanders geparkt, damit es nicht auffällt.« Immer wieder leckte sie sich mit ihrer blassrosa Zunge die Lippen.
    Nichts spielte da eine Rolle, dachte Millington, weder das Alter noch das Aussehen noch sonst irgendetwas. Die Hälfte der Bevölkerung brach ihr Ehegelübde so leicht, wie sie aus dem Schlüpfer steigen konnte. Sogar Frauen wie diese, von der keiner glauben würde, dass ihr in ihrem Leben auch nur ein einziger erotischer Gedanke gekommen war oder dass je ein Mann sich nach ihr umgedreht hatte. Während Moira McLoughlin sprach, musste Millington plötzlich an seine eigene Frau denken, an die vielen Abende in muffigen Klassenräumen, wo sie russische Verben lernte oder sich Barbara Hepworths Bronzen nahebringen ließ, an die Fachsimpeleien hinterher, bei einem Kaffee, mit wortgewandten jungen Männern mit Hochschulabschluss und höheren Zielen, die zu normalen Zeiten arbeiteten und nicht nach Bier und anderer Leute Zigaretten stanken, wenn sie nach Hause kamen.
    »Ich wollte mich eigentlich gar nicht melden, aber ich wusste, dass Alan ganz

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