Der Kinderpapst
Jetzt müsst Ihr Euch
entscheiden. Auf wessen Seite steht Ihr?«
»Auf der Seite Gottes und der Kirche.«
»Redet nicht um den heiÃen Brei. Ihr wisst genau, was ich meine.«
Ja, das wusste Petrus da Silva. Benedikts Vertreibung hatte überall
Jubel hervorgerufen. Die Menschen feierten auf den StraÃen, sie tanzten und
tranken und fielen sich in die Arme, als wäre ein Fluch von ihnen abgefallen.
Wenn jetzt noch der Kanzler die Seiten wechselte, waren die Sabiner am Ziel.
Doch würde ihr Sieg der Kirche zum Vorteil gereichen? Gregorio war immer noch
Kommandant des Stadtregiments und hatte damit Befehl über die gröÃte Armee
Roms. Und Trastevere, das Quartier jenseits des Tibers, wo die Tuskulaner ihr Stadthaus
hatten, würde weiterhin Benedikt folgen.
Petrus da Silva beschloss, die Entscheidung zu vertagen. Solange
Gott selbst sich noch nicht entschieden hatte, durfte auch er keine
Entscheidung treffen.
»Ich bin nur der gehorsame Diener des Papstes«, erklärte er. »Wen
immer der Heilige Geist dazu bestimmt, die Christenheit zu regieren â ich werde
alles tun, was in meinen Kräften steht, um ihn zu unterstützen.«
»Dann warten wir nicht länger und schreiten zur Wahl«, verkündete
Severo. »Will jemand einen Vorschlag machen?«
Bevor der erste Name fiel, verlieà Petrus da Silva den Ort.
17
Vorsichtig spähte Teofilo über den Rand des Jauchekarrens.
Konnte er es wagen?
Am Ufer des Tibers waren nur ein paar Gerbergesellen zu sehen, die
braune Lauge in den Fluss leerten. Dahinter lag sein Ziel, die Engelsburg, die
sich mit ihren mächtigen Mauern uneinnehmbar in der Abendsonne erhob. Wenn er
es bis dahin schaffte, war er in Sicherheit. Vor dem Tor patrouillierten
Soldaten unter dem Kommando eines Hauptmanns, der sich mit einer Dienstmagd
unterhielt.
Teofilo musste schlucken. Die Rettung war so nah! Doch würden die
Wachtposten ihn erkennen? Er stank wie eine Kloake, sodass ihm von seinem
eigenen Gestank schlecht war, und seine Alba sah aus wie das voll geschissene
Fell einer Kuh.
»Da! Da ist er!«
Teofilo blickte sich um. Auf der Brücke kamen seine Verfolger
angerannt: Männer mit Mistgabeln und Knüppeln. Woran hatten sie ihn erkannt?
Egal! Ohne länger zu zögern, kletterte er vom Wagen und lief auf das Tor zu.
»Halt! Stehen bleiben!«
Zwei gekreuzte SpieÃe versperrten ihm den Weg.
Teofilo verharrte.
»Welches Rindvieh hat dich denn ausgeschissen?«, fragte der ältere
Soldat und hielt sich die Nase zu.
»Lasst mich durch! Ich bin der Papst!«
»Und ich bin der Konsul von Rom!«
»Das ist ein Befehl!«
»Jawohl, Ewige Heiligkeit!«
Während die Soldaten sich bogen vor Lachen, lieà der Hauptmann die
Dienstmagd stehen und näherte sich. Teofilo spürte, wie ihn Panik überkam.
Seine Verfolger waren nur noch einen Steinwurf entfernt.
»Die Jauchegrube ist am anderen Tor«, sagte der Hauptmann. »Wann
merkst du dir das endlich, du Idiot? Du kommst doch jede Woche her, um die
Grube auszuheben, und jedes Mal â¦Â« Mitten im Satz verstummte er, und der
überhebliche Ausdruck verschwand aus seinem Gesicht. »Um Gottes willen â
verzeiht!« Vor Verlegenheit stammelnd, nahm er Haltung an. »Ich ⦠ich konnte ja
nicht ahnen, dass Ihr der Heilige Vater seid â¦Â«
»Mach endlich das Tor auf«, drängte Teofilo. »Schnell!«
»Natürlich, Ewige Heiligkeit. Sofort!«
Der Mann salutierte und beeilte sich, den Befehl auszuführen.
Teofilo schaute über die Schulter. Seine Verfolger waren so nah, dass er schon
ihre Gesichter erkennen konnte.
»Vorwärts! Verflucht noch mal!«
Endlich öffnete sich das Tor. Teofilo stürzte in den Hof.
War er in Sicherheit?
Während das Tor sich hinter ihm schloss, ertönte ein Ruf, der ihm
das Blut in den Adern gefrieren lieÃ.
»Habemus papam! Habemus papam!«
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SECHSTES KAPITEL: 1045
KRIEG
1
Schnee fiel in groÃen, wässrigen Flocken auf die Berge herab, über
die der strengste Winter seit Menschengedenken hereingebrochen war. Seit Tagen
war die Tuskulanerburg von der Welt abgeschnitten. Die Ochsenkarren versanken
bis zu den Achsen im Morast, und nicht mal zu Pferde konnte man auf den
aufgeweichten Wegen nach Rom gelangen. War dies ein Wink des Schicksals? Dass
die Heilige Stadt für den Papst verloren war? Teofilo, der in den Bergen
Zuflucht
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