Der Kinderpapst
dem Arm trug er ein paar Bretter, und in der Rechten hielt er einen
Hammer.
DrauÃen wurde der Lärm immer lauter. Teofilo blickte zur Tür, das
Gesicht weià wie Kalk. Domenico konnte seine Angst förmlich riechen. Was für
ein Genuss musste es sein, zuzuschauen, wie die Meute über ihn herfiel.
Antonio stellte die Bretter gegen die Wand und hob den Hammer in die
Höhe.
»Wenn ich was tun soll, müsst Ihr es nur sagen, Herr.«
Domenico holte tief Luft. »Nein«, sagte er dann und schüttelte den
Kopf. »Bring den ScheiÃkerl in Sicherheit!«
»Meint Ihr das im Ernst, Euer Gnaden?«.
Domenico würgte seinen Widerwillen hinunter und nickte.
»Danke!«, sagte Teofilo und griff nach seiner Hand. »Das werde ich
dir nie vergessen!«
»Rühr mich nicht an! Sieh zu, dass du fortkommst! Bevor ich es mir
anders überlege!«
14
Teofilo lief zur Hintertür hinaus in den Hof. Keinen Augenblick
zu früh! In der Werkstatt hörte er schon das Rufen und Poltern seiner
Verfolger.
»Hierher!«, rief Antonio. »Helft mir mit der Deichsel!«
In der Hofausfahrt stand ein Karren, der aussah wie ein Badezuber
auf Rädern.
»Habt Ihr kein Pferd?«, fragte Teofilo.
»Ein Pferd wäre zu gefährlich. Man würde Euch erkennen.«
»Und wenn wir unsere Kleider tauschen?«
»Hört auf zu reden! Packt lieber an!«
Mit einem Stock trieb Antonio einen Esel an den Wagen. Teofilo hob
die Deichsel in die Höhe, damit sie die Zugleinen einhaken konnten.
»Pfui Teufel! Was ist das für ein Gestank?«, fragte er, als Antonio
den Esel am Halfter fasste. Dann begriff er. »Himmel! Das ist ja ein
Jauchekarren!«
»Was habt Ihr erwartet?«, erwiderte Antonio. »Eine Sänfte?«
»Aber damit kann ich unmöglich â¦Â«
»Wenn Ihr lieber zu Fuà fliehen wollt â von mir aus gerne!«
Teofilo zögerte. Die Jauche stank wie die Hölle. Aber der Arbeiter
hatte Recht. Der Wagen war eine gute Tarnung. Kein Mensch würde darin den Papst
vermuten.
»Raus mit der Sprache! Wo ist Benedikt?«, rief jemand im Innern der
Werkstatt.
»Ich weià nicht, wovon Ihr redet.« Das war Domenicos Stimme.
»Vom Papst, verflucht noch mal. Wo hat er sich versteckt?«
»Ihr irrt Euch! Hier ist niemand! Aber eben lief ein Mann die Gasse
runter, in zerrissenen Gewändern. Das könnte er gewesen sein.«
»Ich glaube Euch kein Wort!«
Plötzlich hörte Teofilo ein Klirren, als würde Geschirr zu Bruch gehen,
und dann ein Krachen wie von splitterndem Holz.
»Beeilt Euch!«, rief Antonio.
Teofilo schaute zur Tür. Der Lärm, der nach auÃen drang, wurde mit
jedem Augenblick lauter. Wahrscheinlich stellten seine Verfolger die ganze
Werkstatt auf den Kopf.
»In Gottes Namen!«
Er überwand seinen Ekel und sprang auf den Karren.
15
»Hast du etwa Mitleid mit ihm?«, fragte Anna.
»Wie kommst du darauf?«, fragte Chiara zurück.
»Ich habe dein Gesicht gesehen! Du hattest solche Angst! Aber ich
kann dich beruhigen. Er ist ihnen entwischt. Wie oft soll ich dir das noch
sagen?«
»Glaubst du wirklich?«
»Leider! Ich habe es mit eigenen Augen gesehen!«
»Ach, Anna â¦Â«
Chiara war so durcheinander, dass sie selber nicht mehr wusste, was
sie empfinden sollte. Wenn sie bei den Armenspeisungen das Elend ihrer
Schützlinge sah, überkam sie jedes Mal solche Wut auf Teofilo, dass sie ihn
hasste. Doch als die Aufständischen versucht hatten, ihn umzubringen ⦠Sie
fasste sich an die Wunde, die unter dem Verband immer noch pochte. Wenn sie nur
wüsste, ob er es wirklich geschafft hatte ⦠Nur wenn sie wusste, dass er lebte,
konnte sie ihn hassen.
»Hoffentlich kommt Giulia mit dem Geld zurück«, sagte Anna.
»Bestimmt«, sagte Chiara. »Sie wird so lange suchen, bis sie die
Kasse gefunden hat.«
»Das wird sie, ganz sicher. Die Frage ist nur, was sie damit macht.
Ich weià nicht, irgendwie traue ich ihr nicht über den Weg ⦠Aber was ist denn
das?« Anna blieb plötzlich stehen. »Hat Antonio etwa vergessen, abzusperren?
Das ist doch gar nicht seine Art!«
Sie waren gerade in die Gasse eingebogen, in der sich die Werkstatt
befand. Die Tür stand sperrangelweit offen.
»Seltsam«, sagte Chiara. »Das passt wirklich nicht zu ihm.«
Die beiden Frauen schauten sich an.
»Komm, wir
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