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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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sehen nach«, sagte Anna.
    Vorsichtig näherten sie sich dem Haus. Drinnen schien alles ruhig.
Doch als Chiara über die Schwelle trat, stockte ihr der Atem.
    In der Werkstatt war das Unterste zuoberst gekehrt. Überall lagen
Kruzifixe und Heiligenbilder verstreut, Regale waren umgestürzt, Tonfiguren und
Medaillons in Abertausend Scherben zerschlagen.
    Â»Antonio?«, rief Anna. »Bist du da?«
    Niemand antwortete ihr.
    Plötzlich sah Chiara ein Bein, das reglos hinter einem Mauervorsprung
hervorlugte.
    Â»O nein!«
    Blutüberströmt lag Domenico am Boden. Seine Augen waren geschlossen,
als würde er schlafen.
    Â»Liebster!«
    Sie nahm sein Gesicht zwischen die Hände, küsste seine Stirn, seine
Augen, seinen Mund.
    Â»Bitte, Domenico! Wach auf! Bitte! Wach wieder auf!«
    Sie packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn. Aber er rührte
sich nicht.
    Â»Bitte, sag doch was!«
    Kein Laut drang über seine Lippen. Tränen schossen ihr in die Augen.
In einer verzweifelten Aufwallung drückte sie ihn an sich.
    Â»Verzeih mir«, flüsterte sie. »Bitte verzeih …«
    In Strömen liefen ihr die Tränen über die Wangen. Niemals – niemals
hatte sie ihn so sehr geliebt wie in diesem Augenblick.
    Â»Domenico, mein Liebster …«
    Noch einmal beugte sie sich über ihn, noch einmal drückte sie ihn an
sich, noch einmal küsste sie sein Gesicht.
    Da hörte sie plötzlich ihren Namen, leise, ganz leise, wie ein Hauch
wehte er an ihr Ohr.
    Â»Chiara …?«
    Verstört hielt sie inne.
    Â»Domenico …?«
    Ein Lächeln, so klein und zart und zerbrechlich, dass es nur zu
ahnen war, huschte über sein Gesicht.
    16
    Â»Endlich sind wir den Mistkerl los!«
    Â»Zur Hölle mit dem Hurensohn!«
    Â»Zur Hölle mit den Tuskulanern!«
    Jubel brandete auf. Petrus da Silva zog scharf die Luft ein. War
dies der Moment, in dem er sich entscheiden musste? Um das schlingernde Schiff
der Kirche wieder auf sicheren Kurs zu bringen?
    Severo, der Sabinergraf, hatte die römischen Edelmänner in seinen
Stadtpalast gerufen, kaum dass Benedikt die Flucht ergriffen hatte. In seinem
roten Umhang, den er wie ein Feldherr um die Schultern trug, hob er die Arme,
um für Ruhe zu sorgen.
    Â»Wir müssen einen neuen Papst wählen, jetzt gleich!«, forderte er
die Versammlung auf.
    Â»Aber wenn Benedikt noch lebt?«, erwiderte Girardo di Sasso und
strich sich über seinen Spitzbart. »Der Papst ist der Papst. Wir haben ihn
selber auf den Thron gesetzt, und es wäre eine schwere Sünde …«
    Â»Eine viel schwerere Sünde wäre es«, fiel Severo ihm ins Wort, »wenn
wir ihm erlauben würden, Rom weiter zugrunde zu richten.«
    Â»Richtig!«, stimmte ein Stephanier zu. »Wir haben genug!«
    Â»Trotzdem«, erwiderte Girardo. »Wir dürfen nichts überstürzen.
Vielleicht sollten wir mit den Tuskulanern verhandeln. Um keine Entscheidung zu
treffen, die wir nicht mehr rückgängig machen können. Außerdem haben wir einen
Eid auf Benedikt geschworen, im Namen des Heiligen Geists …«
    Â»Der Heilige Geist hat sich geirrt!«
    Â»Oder war genauso besoffen wie wir!«
    Ein paar Männer lachten.
    Â»Bitte, meine Freunde! Bitte!« Girardo versuchte, sich Gehör zu
verschaffen. »Wenn wir Benedikt absetzen und an seiner Stelle einen anderen zum
Papst wählen, gibt es Krieg!«
    Â»Ja und? Lieber Krieg als feige!«
    Â»Ist es feige, Blutvergießen zu vermeiden? Sicher gibt es eine
Möglichkeit, die alle Seiten zufrieden stellt.«
    Â»Ja, das ist feige!«
    Â»Aber bedenkt doch, es wird auf beiden Seiten Verluste geben,
Verluste und Tote. Wenn wir aber verhandeln …«
    Â»Feige! Feige!«, skandierte jemand und klatschte rhythmisch in die
Hände.
    Andere fielen ein, Pfiffe und Buhrufe wurden laut, und bald
herrschte solcher Lärm im Saal, dass kein Wort mehr zu verstehen war. Girardo
schüttelte resigniert den Kopf und kehrte zurück an seinen Platz.
    Wieder hob Severo die Arme. »Ist sonst noch jemand da, der was
einzuwenden hat?«, fragte er, als der Lärm sich legte. Dabei schaute er Petrus
da Silva fest in die Augen. »Was ist mit Euch?«, sagte er. »Ich war bereit,
meine Lieblingsnichte für den Frieden zu opfern und Valentina zu Benedikts Hure
zu machen. Ihr habt die Gelegenheit nicht genützt.

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